Berlin. AKK ist seit 100 Tagen Verteidigungsministerin und geht ein hohes Risiko ein. Ihr Syrien-Vorstoß könnte ihr schweren Schaden zufügen.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht konfliktscheu. „Mir war in dieser Woche einfach ganz wichtig, dass wir ein Momentum haben“, sagt sie beim Truppenbesuch in Erfurt. In die Offensive gehen – deswegen hat sie ihren Vorstoß für eine internationale Schutztruppe in Nordsyrien auch nicht ausführlich mit dem Koalitionspartner SPD abgesprochen, ebenso wenig mit der Schwesterpartei CSU.

Die Verteidigungsministerin weicht auch bei der heiklen Frage nach einer Beteiligung der Bundeswehr nicht aus: „Zuerst brauchen wir ein politisches Go, was gehen könnte.“ Dafür kämpft sie, am Donnerstag im Kreis der Nato-Verteidigungsminister. Sie kann indes nicht im Namen der Bundesregierung sprechen, die zu dem Vorschlag keine abgestimmte Linie hat. AKK arbeitet auf eigene Rechnung.

Kramp-Karrenbauer: Wagnisse markieren ihren Weg

Ein international bedeutsamer Vorstoß als Drahtseilakt – Wagnisse markieren ihren Weg. Schon die Aufkündigung der Jamaika-Koalition im Saarland – gegen den entschiedenen Willen der damaligen CDU-Chefin Angela Merkel – war ein eigenmächtiger Entschluss. Es soll sehr laute Telefonate zwischen den beiden Frauen gegeben haben.

Die Idee, als Generalsekretärin nach Berlin zu gehen und nicht ins Kabinett, war ebenfalls mutig. Diese ging zunächst auch auf, brachte ihr am Ende den CDU-Vorsitz; sie machte sich in dem Amt in der Partei viele Freunde. Sich das Amt oder, wie viele sagen, den Schleudersitz der Verteidigungsministerin zuzutrauen, war ebenfalls eine Flucht nach vorn, um sich von schlechten Umfragewerten zu befreien.

AKK packt an, was von der Leyen auf die lange Bank schob

100 Tage ist sie inzwischen im neuen (Doppel-)Amt. „Sie hat was für das Klima getan“, urteilt Hans-Peter Bartels. Er meint nicht den CO2-Ausstoß. Sondern das Klima in der Truppe. „Sie scheint zugänglicher.“ So empfindet es nicht allein der Wehrbeauftragte. „Sie ist nahbar und fleißig“, erzählt Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Auf ihren Grünen-Kollegen Tobias Lindner wirkt AKK „entscheidungsfreudiger“. Kramp-Karrenbauer stößt nach 100 Tagen auf geteiltes Echo.

Tatsächlich hat sie dem Beschaffungsamt eine Minireform verordnet, für die größten Rüstungsprojekte einen Zeitplan vorgelegt und die Privatisierungspläne für die Heeresinstandsetzungslogistik gestoppt. Entscheidungen, die ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) auf die lange Bank geschoben hatte.

Bundeswehr soll für AKK bloß eine Durchgangsstation sein

Nach 100 Tagen im Amt genießt AKK in der Truppe die Sympathien und in der Opposition die Akzeptanz, die ihrer Vorgängerin versagt blieben. Eine Ironie. Denn auf die Saarländerin trifft zu, was bei von der Leyen argwöhnisch vermutet wurde: Die Bundeswehr ist bloß eine Durchgangsstation. Läuft es nach Plan, läuft sich Kramp-Karrenbauer gerade für die Kanzlerkandidatur 2021 warm.

Vom ersten Tag an ist ihr bewusst, dass Zeit ein Faktor ist – schnelle Erfolge sind das Gebot der Stunde. Am 24. Juli – gerade eine Woche im Amt – macht sie drei Ankündigungen, die bemerkenswert sind, weil sie damals politisch ungedeckte Schecks sind, inzwischen aber ausnahmslos durchgesetzt wurden.

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Gratis-Bahnfahrten für Soldaten, längere Einsätze in Irak und Syrien

Sie kündigt mehr öffentliche Gelöbnisse und Gratis-Bahnfahrten für die Truppe an. Das Erste hat einen ideellen Mehrwert, das zweite ist Geld wert. „Eine schöne Sache, die Soldaten mögen so was“, weiß Bartels. Auch den Haushalt will sie damals erhöhen. Heute, drei Monate später, deutet alles darauf hin, dass die Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr erstmals auf mehr als 50 Milliarden Euro steigen werden.

Das entspräche einer Steigerung von etwa 6,4 Prozent im Vergleich zu den 47,32 Milliarden Euro, die zuletzt für 2019 angenommen wurden. AKK tritt bei ihrer Vereidigung überdies für eine Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes im Kampf gegen den IS ein, den die SPD schon damals im Juli beenden will.

Die Ministerin macht bewusst ihren ersten Truppenbesuch im Irak und Jordanien und setzt sich alsbald auch gegenüber der SPD durch. Da konnten die Sozialdemokraten nicht ahnen, dass sie drei Monate später weitergehen und sogar die Einrichtung einer Sicherheitszone in Nordsyrien vorschlagen würde, im Ergebnis für die Bundeswehr also ein längerer und gefährlicherer Einsatz.

AKK steht unter rasendem Profilierungsdruck

Rolf Mützenich hört AKK nach ihrer Vereidigung im Bundestag konzentriert zu. Der SPD-Fraktionschef empfiehlt ihr, sich in der Haushaltspolitik mehr „Zeit zu nehmen“. Aber die CDU-Vorsitzende hat keine Zeit, sondern einen rasenden Profilierungsdruck. Deswegen scheut sie auch nicht davor zurück, wie mit ihrer aktuellen Forderung in der Syrien-Politik, Freund und Feind in der Koalition und in der Nato zu überraschen.

AKK-Vorschlag zu Syrien sorgt für Kontroversen

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    „Auf internationaler Bühne schwimmt sie noch, was in diesen Tagen ein großes Manko ist“, meint FDP-Wehrexpertin Strack-Zimmermann. So verwirrte sie beispielsweise mit dem Vorwurf einer türkischen Annexion von Teilen Nordsyriens.

    Unter Annexion versteht man die erzwungene, dauerhafte Einverleibung von Gebieten eines anderen Staats. Türkische Truppen sind zwar in Syrien einmarschiert, aber die Absicht der dauerhaften Eingliederung des Gebiets ist bisher nicht geäußert worden. Die SPD schüttelt den Kopf.

    Mit dem Doppelamt ist die politische Fallhöhe gestiegen

    Ihr vielleicht härtester Kampf steht ihr noch bevor, nicht in Syrien, nicht mit der Bundeswehr, auch nicht mit dem Koalitionspartner. Sondern mit der eigenen Partei. Vielleicht ihr einsamster Kampf. Schon der „Deutschlandtag“ der Jungen Union war eine Warnung. Zwar gelang ihr dort eine respektable Rede, aber die demonstrative Herzlichkeit für ihren ehemaligen Herausforderer Friedrich Merz war unüberhörbar.

    Der JU-Beschluss zu einer Urwahl des CDU-Kanzlerkandidaten macht deutlich: Die Merkel-Nachfolge wird ihr nicht geschenkt und angetragen. Dass es so weit kommen konnte, ist auch ihren eigenen Fehlern in den vergangenen Monaten zuzuschreiben.

    Kommunikativ lief aus Sicht von CDU-Vorstandsmitgliedern vieles falsch, aufgrund mangelnder Sorgfalt oder falscher Einschätzungen ihres Beraterstabs. Ihr Vorschlag für eine Sicherheitszone in Syrien wird als Befreiungsschlag gewertet. Wenn sie sich durchsetzt, punktet sie nicht nur als Verteidigungsministerin. Wenn sie verliert, dann auch als CDU-Chefin.

    Mit dem Doppelamt ist die Fallhöhe der Seiltänzerin gestiegen.