Düsseldorf. Dem deutschen Wald geht es schlecht, das ist bekannt. NRW-Umweltministerin Heinen-Esser spricht sich im Interview für eine CO2-Abgabe aus.

Kurz vor dem Nationalen Waldgipfel am kommenden Mittwoch in Berlin hat sich NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser für eine CO2-Prämie für Waldbauern ausgesprochen. Die Leistung des Waldes im Kampf gegen den Klimawandel zu honorieren, sei eine „exzellente Idee“, sagte sie im Interview mit dieser Zeitung (Das komplette Interview finden Sie weiter unten).

Die Waldbauern hatten jüngst eine Prämie von 125 Euro pro Hektar Wald pro Jahr gefordert. Bezogen auf die gesamte Waldfläche in Deutschland würde das einen Betrag von mehr als einer Milliarde Euro jährlich ausmachen.

Mittel fließen aus Zertifikatehandel

Finanziert werden müsse die Prämie über die Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten, sagte Heinen-Esser. „Dafür gibt es bereits den Energie- und Klimafonds auf Bundesebene, der sich aus den Mitteln der Zertifikate der Industrie speist. Demnächst werden – so die aktuellen Überlegungen – vermutlich auch Einnahmen aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor dort einfließen. Aus diesem Topf kann die Baumprämie finanziert werden.“ Ob der Betrag, den die Waldbauern fordern, realistisch sei, müsse allerdings noch diskutiert werden.

Auch der Bundesvorstand der CDU hatte sich Anfang dieser Woche in seinem Papier „Klimaeffizientes Deutschland – Mit Innovationen in die Zukunft“ dafür ausgesprochen, eine CO2-Bindungsprämie zu prüfen.

„Wald ist Klimaschützer Nummer 1“

„Wenn das Klimakabinett Emissionen wirksam senken will, darf sie den Wald nicht außer Acht lassen“, fordert der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Max von Elverfeldt. „Deshalb muss die Bundesregierung den Klimaschützer Nr. 1 jetzt aktiv stärken und die CO2-Speicherleistung des Waldes zukünftig honorieren.“

Derzeit seien in NRW neun Millionen Festmeter Fichtenholz geschädigt, sagte Heinen-Esser. Das entspreche elf Millionen Bäumen. Die Experten des Umweltministeriums befürchten, dass der Höhepunkt der Schäden erst im nächsten oder übernächsten Jahr erreicht wird.

Bund fordert ökologische Waldwende

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte am Mittwoch erneut eine ökologische Waldwende. „Die Wälder müssen endlich schonender bewirtschaftet werden, um sie gegen die Folgen der Klimakrise besser zu wappnen“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger.

Erst Schmallenberg, dann Berlin: NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser beschäftigt sich in diesen Tagen vorrangig mit dem Wald – zunächst kommende Woche bei der Klausurtagung des NRW-Kabinetts im Sauerland, dann beim Waldgipfel am Mittwoch in Berlin. Hier das Interview:

>> Interview mit Ursula Heinen-Esser im Wortlaut

Das Wetter hat sich beruhigt, es regnet wieder öfter. Ist der Wald schon über den Berg?

Ursula Heinen-Esser: Ganz im Gegenteil. Unsere Experten sind in Sorge, dass der Höhepunkt der Schäden erst noch kommt – und zwar im nächsten und übernächsten Jahr. Aktuell sind bei der Fichte neun Millionen Kubikmeter Holz geschädigt, das entspricht elf Millionen Bäumen auf einer Fläche von 20.000 Hektar, rechnet man die Schäden durch Sturm, Dürre und Borkenkäfer zusammen. Und jetzt erleben wir, dass auch die Buche schon deutliche Schäden davonträgt, da liegen wir bereits bei circa 300.000 Kubikmetern. Entscheidend ist es jetzt, das Schadholz möglichst schnell aus dem Wald zu bekommen, damit sich der Borkenkäfer nicht weiter ausbreiten kann.

Bekommen die Waldbauern dafür genug Unterstützung?

Ja. Bisher wurden 5,5 Millionen Euro an Fördermitteln beantragt, bewilligt wurden schon 5,3 Millionen Euro. Am Anfang war es notwendig, die Förderrichtlinien so auszuformulieren, dass sie praktikabel sind und vor dem Landesrechnungshof Bestand haben. Es geht schließlich um Steuergelder. Das braucht eben etwas Zeit. Mittlerweile erfolgt der Abruf des Geldes sehr zügig.

Förderrichtlinie verändert

Bisher sah die Extremwetter-Förderrichtlinie keine Förderung von Eigenleistung vor. 80 Prozent des NRW-Waldes befindet sich in privater oder kommunaler Hand. Hat der Bauer sein Holz selbst weggeschafft, konnte er dafür keine Hilfsmittel beantragen.

Das ist jetzt geregelt. Die Beschränkung auf Ausgaben für den Unternehmereinsatz haben wir aufgehoben. Das wird den Waldbauern und den Kommunen enorm helfen.

Reicht das Geld des Landes aus?

Das werden wir dann beurteilen können, wenn das Gros der Anträge eingegangen ist. Wir rechnen in diesem Jahr aktuell mit etwa 9 Millionen Euro. Diese sind gesichert. Die größte Herausforderung der nächsten Jahre wird dann die Wiederbewaldung sein, für die wir Fördermittel in Höhe von 100 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren vorsehen.

Bleiben wir beim Geld. Die Waldbauern fordern eine CO2-Prämie von 125 Euro pro Hektar pro Jahr. Auch Ministerpräsident Laschet setzt sich für eine Baumprämie ein. Was halten Sie von den Vorschlägen?

Das ist eine exzellente Idee, denn der Wald übernimmt eine klare Aufgabe im Kampf gegen den Klimawandel. Er bindet Kohlenstoff. Wir benötigen eine derartige Prämie zur Wertschätzung und Stärkung der vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes. Stirbt der Wald, sterben Arten und unsere wichtigste Kohlenstoffsenke. Finanziert werden muss eine solche Prämie über die Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten. Dafür gibt es bereits den Energie- und Klimafonds auf Bundesebene, der sich aus den Mitteln der Zertifikate der Industrie speist. Demnächst werden, so die aktuellen Überlegungen, vermutlich auch Einnahmen aus dem Verkehrs- und Gebäudesektor dort einfließen. Aus diesem Topf kann die Baumprämie finanziert werden. Die Idee, die Leistung des Waldes als Kohlensenke zu honorieren, ist der absolut richtige Ansatz. Ob der Betrag, den die Waldbauern fordern, realistisch ist, müssen wir noch diskutieren. Wir können den Klimafonds ja nicht ausschließlich für den Wald leeren.

Unterstützung aus Berlin gefordert

Mit welcher Forderung reisen sie zum Waldgipfel von Julia Klöckner?

Die wichtigste Forderung zielt natürlich auf die Finanzierung, einerseits zur Beseitigung der Waldschäden, andererseits um den Wald fit zu machen für den Klimawandel. Im Moment steuern wir viel aus eigenen Bordmitteln bei, das meiste Geld holen wir also aus dem eigenen Haushalt. Das fehlt dann in anderen Bereichen. Wir brauchen deshalb eine gute Finanzausstattung vonseiten des Bundes für die aktuelle Schadensbekämpfung und zur Wiederaufforstung. In diesem Jahr hat der Bund Sondermittel in Höhe von 330.000 Euro bereitgestellt, die zweckgebunden für die Förderung über die Extremwetter-Richtlinien genutzt wurden. Aber Julia Klöckner ist entschlossen, größere Summen freizugeben.

Drohen beim Waldgipfel ideologische Stolpersteine? Bundesumweltministerin Schulze (SPD) will ja mehr Naturwald und fordert nach dem Motto „Wald vor Wild“ höhere Abschussquoten beim Schalenwild, damit die Tiere die jungen Bäume nicht auffressen.

Ideologische Debatten können wir jetzt nicht gebrauchen. Dass Mischwälder, je nach Standort angepasst, die Zukunft sind, ist allgemein unbestritten. Darauf legen wir bei der Förderung den Schwerpunkt. Diese Anforderung setzen die Waldbesitzer jetzt um, sie wissen selbst am besten, dass Monokulturen nicht mehr die Zukunft sind. Sie müssen schließlich in Generationen denken. Nicht von ungefähr wurde der Nachhaltigkeitsbegriff vor über 300 Jahren von Hans Carl von Carlowitz erstmals aus dem generationsübergreifenden Gedanken der Forstwirtschaft heraus definiert. Für politische Diskussionen ist der Zug abgefahren. Wir brauchen jetzt zeitnah konkrete Hilfen. Was den Naturwald betrifft: Die Waldbauern müssen ja auch von ihrem Wald leben können. Rein auf natürliche Prozesse zu setzen, ist übrigens in Zeiten des Borkenkäfers auch nicht ideal, weil seine Verbreitung begünstigt wird. Wir haben in den letzten Jahren im öffentlichen Wald ja auch viel Waldfläche stillgelegt, um für die Entfaltung vielfältiger Arten naturbelassenen Lebensraum zu erhalten.

„Jäger müssen ihren Beitrag leisten“

Wie halten Sie es mit „Wald vor Wild“?

Wald und Wild gehören zusammen und müssen zusammengedacht werden. Alle Beteiligten – Waldbesitzer, Förster, Jäger und auch Politik – müssen sicherstellen, dass ein Neben- und Miteinander von Wald und Wild gesichert ist. Die regelmäßig zu erstellenden Verbissgutachten sind hierfür eine wichtige Grundlage auch für die Abstimmung zwischen Waldbesitzern und Jägern. Ganz werden wir auf den Schutz von Anpflanzungen wohl nicht verzichten können. Aber auch die Jagd wird ihren Beitrag zur Wiederbewaldung leisten müssen.

Unter dem Strich wird der Wiederaufbau des Waldes viel Geld kosten. Rechnen Sie mit Gegenwind aus der Bevölkerung?

Nein. Die Menschen wissen, wie es um den Wald bestellt ist. Er hat ja nicht nur die Eigenschaft, als Grüne Lunge Kohlenstoff zu binden und Einkommensquelle für die Waldbauern zu sein, sondern er dient auch der Erholung, ist wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen und ist und bleibt ein Stück Heimat. Ich kenne niemanden, den die aktuelle Situation des Waldes kalt lässt, die allgemeine Betroffenheit ist groß. Aus der Luft sieht man das tatsächliche Ausmaß der Schäden. Ich habe noch nie ein kritisches Wort zur Unterstützungsleistung für die Waldbesitzer gehört. Im Gegenteil: Ich spüre viel Verständnis.