Berlin. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger macht vor allem Konzerne für den Klimawandel verantwortlich – und fordert ihre Verstaatlichung.

Was wohl Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zur globalen Erwärmung gesagt hätten? Porträts der linken Ikonen hängen über dem Schreibtisch von Bernd Riexinger. Das Credo des Linksparteichefs, der mit schwachen Wahl- und Umfrageergebnissen zu kämpfen hat, orientiert sich wie selbstverständlich an den alten Lehrmeistern: „Kapitalismus verträgt sich nicht mit Klimaschutz.“

Bei der Europawahl ist die Linkspartei auf 5,5 Prozent gesunken, und im Osten drohen Ihnen massive Verluste bei allen drei Landtagswahlen. Hat sich die Linke 30 Jahre nach der Wende überlebt?

Bernd Riexinger: Auf keinen Fall. Die Ergebnisse bei der Europawahl nehmen wir sehr ernst. Aber wir gehen nicht davon aus, dass wir auch die

Auch interessant

Brandenburg und Thüringen verlieren. Wir starten jetzt voller Motivation in den Wahlkampf. Es geht um eine Richtungsentscheidung: Gelingt es, die Rechten zurückzudrängen und die Linke als klare Alternative zu stärken?

Die Linkspartei hat etliche Wähler an die AfD verloren, die auf dem Weg zur stärksten Kraft im Osten ist. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Riexinger: Erhebliche Verantwortung für die Stärke der AfD trägt die CDU, weil sie genauso rechts dahergeredet und die AfD hoffähig gemacht hat. Die Menschen im Osten arbeiten länger, verdienen weniger, der Aufbau Ost ist gescheitert. Die AfD prangert die Verhältnisse an und sucht Sündenböcke bei den Flüchtlingen, hat aber für nichts ein Lösungskonzept. Die Linke wird dafür kämpfen, dass solidarische Antworten auf diese Probleme durchgesetzt werden.

  • Reportage:

Auch interessant

Verstehen Sie die Warnung der scheidenden Linksfraktionschefin

Auch interessant

vor einer „grenzenlosen Willkommenskultur“?

Riexinger: In einer Zeit, wo die Rechten eine menschenfeindliche Flüchtlingspolitik betreiben, muss die Linke eine klare Haltung haben. Man merkt ja gerade,

Auch interessant

Man kann es nicht ertragen, dass Gerettete keinen Hafen finden und Retter kriminalisiert werden.

Auch interessant

die Kapitänin des privaten Seenotrettungsschiffes „Sea-Watch 3“, sieht die EU in der Verantwortung, nicht nur Bürgerkriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte, sondern auch Klimaflüchtlinge aufzunehmen. Sehen Sie das auch so?

Riexinger: Das Klimaproblem ist akut. Wenn wir nicht schnell etwas machen, werden wir zig Millionen Klimaflüchtlinge bekommen. Die richtige Strategie ist eine entschiedene Klimaschutzpolitik. Es ist nicht verständlich, warum gerade unsere Bundesregierung so lange braucht, bevor sie konkrete Schritte unternimmt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Sind Sie dafür, die Folgen des Klimawandels als Asylgrund in das Grundgesetz aufzunehmen?

Riexinger: Wir fordern eine Ausweitung der Flüchtlingsrechte auf Klimaflüchtlinge. Wichtig an dem Vorschlag der Kapitänin ist für mich aber auch, dass wir endlich mal begreifen, wie gravierend der Klimawandel die Welt bereits zerstört hat. Damit geht natürlich auch Flucht einher.

„Sea-Watch 3“-Kapitänin Rackete vorerst wieder in Freiheit

weitere Videos

    Als Ökopartei ist die Linke bisher nicht aufgefallen. Verträgt sich Sozialismus nicht mit Klimaschutz?

    Riexinger: Es ist umgekehrt: Kapitalismus verträgt sich nicht mit Klimaschutz. Wir diskutieren viel über persönliche Verhaltensweisen, und das ist auch richtig. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass 100 Konzerne für 71 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich sind. Der Markt regelt das nicht, da irrt Herr Lindner von der FDP. Wir brauchen eine Klimapolitik, die den Konzernen klare Vorgaben macht.

    Sie fordern die Enteignung der großen Energiekonzerne. Was soll daran ökologisch sein?

    Riexinger: Uns geht es um ein Gesamtkonzept. Wir brauchen eine dezentrale Energieversorgung mit Stadtwerken, die in öffentlicher Hand sind, soziale Tarife machen und erneuerbare Energien nutzen.

    Klimaschutz ist auch ein kapitalistischer Erfolgsfaktor. Neue Technologien schaffen Arbeitsplätze ...

    Riexinger: In dieser Frage unterscheiden wir uns stark von den Grünen. Wir halten es für naiv, Klimapolitik ohne klare Vorgaben gegenüber den Konzernen zu machen. Nehmen wir die Autokonzerne, die Staat und Gesellschaft betrogen haben, um ihre Produkte weiter mit hohem Profit verkaufen zu können. Das ist auch nicht im Sinne der Arbeitsplätze. Unser Verkehrsministerium hat da total versagt.

    In Zahlen- So trägt jeder Einzelne von uns zum Klimawandel bei

    weitere Videos

      Welche Vorgaben wollen Sie dem Flugverkehr machen? Alle Inlandsflüge verbieten?

      Riexinger: Es ist unsinnig, Kurzstrecken zu fliegen. Ich würde es erst einmal mit einer Kerosinsteuer versuchen. Wer darauf verzichtet, subventioniert nur die Flugindustrie. Dass Flugreisen unverantwortlich billig geworden sind, hängt auch damit zusammen, dass man den Flugverkehr privatisiert hat.

      Fliegen war ja mal besser reguliert und überwiegend in öffentlicher Hand. Man hat einen wilden Konkurrenzkampf auf dem Flugmarkt zugelassen – zum Nachteil der Beschäftigten und zulasten des Klimas.

      • Hintergrund:

      Auch interessant

      Am liebsten würden Sie die Airlines wieder verstaatlichen.

      Riexinger: Das wäre das Beste. Was so dramatische gesellschaftliche Folgen haben kann, darf nicht marktwirtschaftlich und unreguliert bleiben. Fluggesellschaften gehören in staatliche Hand – genauso wie die Energieversorgung oder die Bahn. Das war ja alles mal reguliert, und die Welt ist nicht untergegangen.

      Empfohlener externer Inhalt
      An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
      Externer Inhalt
      Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

      Sie wollen unsere Wirtschaftsordnung auf den Kopf stellen. Warum soll der Staat der bessere Klimaschützer sein?

      Riexinger: Es geht mir darum, die Wirtschaft nach gesellschaftlichen Bedürfnissen auszurichten. Die Logik des Kapitalismus ist, dass man noch höhere Profite macht als der Konkurrent. Diese Logik lässt sich nicht vereinbaren mit ökologischem und sozialem Wirtschaften.

      Fliegen ist Kacke - Klima-Proteste am Flughafen Stuttgart

      weitere Videos

        In Bremen ist das erste rot-grün-rote Bündnis im Westen entstanden. Ist die Linke auch im Bund bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen?

        Riexinger: Für uns ist entscheidend, dass wir einen grundlegenden Politikwechsel hinbekommen. Dafür brauchen wir Mehrheiten in der Gesellschaft und im Parlament. Bei der SPD sehe ich da schon eine größere Neigung. Ein offenes Feld sind die Grünen.

        • Hintergrund:

        Auch interessant

        Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, kann sich eine Koalition mit Ihnen schwer vorstellen. Im

        Auch interessant

        sagte er, die Linkspartei müsste sich in der Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch in der Wirtschaftspolitik „geradezu neu erfinden“.

        Riexinger: Kretschmann ist ein gutes Beispiel, dass man auch grüne CDU-Politik machen kann. Das ist nicht unsere Option.

        Nennen Sie drei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, bevor Sie Annalena Baerbock oder Robert Habeck ins Kanzleramt wählen.

        Riexinger: Wir brauchen einen Mindestlohn von zwölf Euro, eine armutsfeste Rente und deutlich mehr Investitionen in Bildung, Erziehung, Gesundheit und sozialen Wohnungsbau. Das sind drei Grundelemente. Dazu kommen Verteilungsgerechtigkeit, eine offensive Klimaschutzpolitik und eine konsequente Friedenspolitik.

        Wenn Sie immer noch sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden wollen, wird es schwer mit dem Regieren.

        Riexinger: Auslandseinsätze der Bundeswehr – wir sprechen von Kriegseinsätzen - sind eine rote Haltelinie für die Linke. Was wir in Afghanistan oder in Mali tun, hat nicht dazu beigetragen, die Welt friedlicher zu machen. Es ist sehr deutlich, dass die CDU mit der

        Auch interessant

        einen Weg der Aufrüstung und Militarisierung geht. Da werden SPD und Grüne sich entscheiden müssen.

        Uns geht es um eine grundlegende Änderung nicht nur der Wirtschafts- und Sozialpolitik, sondern auch der Außen- und Sicherheitspolitik. Wir werden uns nicht auf eine Politik einlassen, die unsere Identität infrage stellt.