Berlin. Die „Generation Golf” kommt an die Macht: Politiker um die vierzig, aus Union und FDP, stellen die Weichen für die nächsten Jahrzehnte. Was viele verbindet: In den Achtzigern schwammen sie gegen den links-alternativen Strom.
Sie gingen in die Kirche statt zum Ostermarsch, zur Jungen Union statt in die Friedens AG. Unter Angela Merkel haben sie Karriere gemacht. Florian Illies darf sich freuen: Seine oft als unpolitisch gescholtene „Generation Golf” sitzt heute auf der Regierungsbank: der Liberale Philipp Rösler (36), die Unionsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (37) und Norbert Röttgen (44) – und dahinter ein ganzer Schwung junger Staatssekretäre, geboren zwischen 1965 und 1975.
Ihre politische Startphase: die 80er-Jahre. Das Jahrzehnt zwischen Nato-Doppelbeschluss und Mauerfall. „Es war eine tolle Zeit”, sagt Ursula Heinen (44), CDU-Staatssekretärin im Umweltministerium. „Es gab nie wieder etwas, das so heftig diskutiert wurde, gerade unter Schülern.” Die Kölnerin war Anfang der 80er-Jahre Schülersprecherin am Erzbischöflichen Gymnasium der Domstadt. 60 Kilometer weiter nordöstlich debattierte Ralf Brauksiepe (42) allein gegen linke Lehrer und friedensbewegte Mitschüler. „Aber an so etwas kann man auch reifen”, sagt der Hattinger, der heute CDU-Staatssekretär im Arbeitsministerium ist.
Einmal haben sie in Brauksiepes Geschichtsleistungskurs eine geheime Abstimmung gemacht. „Da gab es dann auf einmal unheimlich viele CDU-Stimmen.” Die links-alternativen Schüler und Studenten der 80er-Jahre prägten zwar auf der Straße und in den Diskussionen das öffentliche Bild der politischen Jugend, die Mehrheit der „Generation Golf” allerdings wählt bis heute lieber schwarz-gelb.
"Wert- aber nicht strukturkonservativ"
Heinen und Brauksiepe kamen 1998, mit Anfang dreißig, in den Bundestag. Genauso wie Annette Widmann-Mauz (43), die neue CDU-Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Sie alle sind damals gegen den links-alternativen Strom geschwommen, heute sind sie befreundet. „Klar, sind wir eine Art Gruppe”, sagt Heinen. Andere sind da eher zögerlich. Der Hattinger Brauksiepe etwa wittert Schubladendenken und winkt ab.
Auch Golf-Fahrerin Julia Klöckner (36) will nicht in die Generationskiste steigen. Aber Gemeinsamkeiten sieht die CDU-Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium durchaus. Beim Politikstil zum Beispiel. „Unkonventionell, wert- aber nicht strukturkonservativ”, bilanziert Klöckner. Parteikollegin Ursula Heinen sagt: „Die Zeit für große ideologische Debatten ist vorbei, es ist Zeit, die großen Probleme zu lösen.” Der 44-jährige CDU-Umweltminister Norbert Röttgen erklärte jüngst im Interview: „Wir betreiben nicht dieses Freund-Feind-Denken”. Ideologien waren gestern, heute zählen Ergebnisse. Joschka Fischer, der letzte Live-Rock'n'Roller der deutschen Politik (Fischer über Fischer), hat für so viel nett formulierten Pragmatismus nur ein Gähnen über: „Jetzt kommt die Playback-Generation.”
Tatsächlich sind die meisten der Neuen eher leise nach oben gekommen. Die Achtundsechziger mussten sich allein schon gegen die vielen Talente in ihren eigenen Reihen durchsetzen, „wer dagegen in den Achtziger Jahren in eine Partei eintrat, wurde mit offenen Armen empfangen”, sagt der Göttinger Parteienforscher Matthias Micus und beklagt die Folgen: „Sie wirken blass, und rhetorisch sind sie oft schlecht.”
Kinder das Wohlstands
Keine Kämpfe, kein Rückgrat? „Smart”, findet Heinz Bude die neuen Unionsaufsteiger. „Aber ob sie auch mal eine unbequeme Linie halten können?” fragt der Soziologe vom Hamburger Institut für Sozialforschung. „Wir können diese Leute gut gebrauchen”, glaubt sein Bielefelder Kollege Klaus Hurrelmann. Ihre Manager-Attitüde sei kein Nachteil: „Sie halten Politik noch für eine beeinflussbare Sache.” Aber: „Sie müssen sich immer daran erinnern, dass es auch sozial Benachteiligte gibt.” Das sei der blinde Fleck der neuen Regierungsgeneration. „Die meisten von uns”, weiß eben auch Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz, „sind noch im Wohlstand groß geworden.”