Düsseldorf. Friedrich Merz hat bei der Düsseldorfer CDU-Regionalkonferenz den meisten Beifall erhalten. Das Thema Migration spielt an dem Abend überraschend kaum eine Rolle.

Annegret Kramp-Karrenbauer betritt schon um kurz nach fünf die Düsseldorfer Messehalle 9. Obwohl es noch knapp eine Stunde hin ist bis zum Beginn der sechsten Regionalkonferenz der CDU und sich die Stuhlreihen erst allmählich füllen, gibt die Generalsekretärin a.D. schon geduldig ein Fernsehinterview nach dem anderen. Das hier ist schließlich NRW. Der wichtigste Landesverband, die mit 4000 Besuchern und 200 Journalisten größte Veranstaltung, der vielleicht entscheidende Schritt auf dem Weg zum Bundesvorsitz.

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Kramp-Karrenbauer gilt laut Umfragen als Favoritin der Delegierten beim Bundesparteitag am 7. Dezember für die Merkel-Nachfolge. Sie will als gewissenhafte Kärrnerin erscheinen. Der parteiinterne Wahlkampf der ehemaligen Ministerpräsidentin des Saarlands erinnert an einen 20 Jahre alten Titel von Herbert Grönemeyer: „Bleibt alles anders.“ Sie verspricht keinen harten Bruch mit der Ära Merkel, aber auch kein Weiter so.

Merz ist der Darling der Basis

Ihre Konkurrenten Friedrich Merz und Jens Spahn sieht man erst später in der Düsseldorfer Messehalle. Gesundheitsminister Spahn werden nur geringe Chancen auf den Parteivorsitz eingeräumt. Merz ist der Darling der Basis. Er zieht den Zettel mit der Nummer eins und darf als erster mit der Vorstellungsrede beginnen. Merz spricht in seinem typischen Stakkato-Stil, der immer eine große Entschlossenheit vermittelt. Im Publikum nicken viele Grauschöpfe zustimmend.

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Den ersten großen Applaus erhält Merz, als er beklagt, wie die CDU seit Jahren „unbequeme Fragen“ nicht mehr gestellt, „keine offenen Diskussionen“ mehr geführt habe und überhaupt ihr Profil verwässert habe: „Man muss nicht jeden Standpunkt der SPD gleich übernehmen.“ Europapartei, Bundeswehr, Gewaltmonopol des Staates, Entlastung für den Mittelstand – Merz streift durch das konservative Vollsortiment.

Vor allem die Grünen und deren Lavieren beim Streit um den Hambacher Forst im rheinischen Braunkohle-Revier nimmt er aufs Korn. Nur das Streitthema Migration spart er zunächst aus. Eine Reaktion auf seine jüngsten Stockfehler in der Debatte übers Grundrecht auf Asyl oder das angebliche „Achselzucken“ der CDU beim Aufstieg der AfD?

Freundlicher Applaus für Kramp-Karrenbauer

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ARCHIV - 31.10.2018, Berlin: Friedrich Merz (CDU) äußert sich bei einer Pressekonferenz zu seiner Kandidatur für das Amt des Parteivorsitzenden der CDU. (zu dpa
Von Jochen Gaugele, Kerstin Münstermann und Jörg Quoos

Merz räumt beiläufig den Verdacht aus, er plane bloß einen persönlichen Rachefeldzug gegen seine alte Rivalin Me rkel. Ob er mit der Kanzlerin zusammenarbeiten könne? „Natürlich geht das gut“, ruft Merz. Am Ende erhält er stehenden Applaus. Ein Heimspiel für den Polit-Rückkehrer.

Kramp-Karrenbauer, genannt AKK, muss kontern. Sie profiliert sich als Frau, die auch in schlechten Zeiten da war. Wie sie 2017 im Saarland den „Schulz-Zug“ der SPD gestoppt habe und Armin Laschet im NRW-Umfragetief aus der Patsche geholfen habe. 18 Jahre Regierungserfahrung, 50 Termine bei ihrer „Zuhör-Tour“ als CDU-Generalsekretärin, überhaupt die Ochsentour vom Ortsverband bis in die Spitzenpolitik. Ihre verdeckte Botschaft: Ich war auch für die CDU da, als Merz noch als Anwalt in der Wirtschaft Millionen verdiente. Den größten Zuspruch bekommt sie, als sie Noch-CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert. Am Ende ist der Applaus freundlich, aber nicht enthusiastisch.

Spahn wirbt für modernen Patriotismus

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Anders als seine Vorredner stellt sich Spahn nicht ans Rednerpult, sondern tigert mit einem Handmikrofon wie ein Conférencier über die Bühne. Er ist mit 38 Jahren der mit Abstand jüngste Bewerber und präsentiert sich als junger Konservativer mit dem Blick auf die CDU 2040. „Modernen Patriotismus“ will er vorleben. Er fordert Wertschätzung für Soldaten und jedes Jahr ein öffentliches Gelöbnis mitten in Berlin. Die meisten Klatscher provoziert Spahn, als er die Grünen wegen deren flexibler Haltung im Hambacher Forst attackiert.

„Der Habeck ist nett“, sagt er, doch ansonsten charakterisiert er die Öko-Partei als doppelzüngige Blockierer, auf die etwa bei der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer kein Verlass sei. Spahn findet über den Kampf ins Spiel. Später in der Gesprächsrunde provoziert er immer mal freundliche Lacher.

Als in der Fragerunde doch noch das Thema Migration aufgerufen wird, kommt es zu einer interessanten Verkehrung der Diskussionslage. Merz gibt sich staatsmännisch und will nicht mehr auf die Flüchtlingskrise zurückschauen. Die liberale AKK plant ein „Werkstatt-Gespräch“ mit Praktikern, um die aktuellen Probleme sachlich lösen. Spahn fordert konsequenten Schutz der EU-Außengrenzen, gibt sich aber auch sehr zahm. Nach dem Programmpunkt verlassen die ersten Besucher die Messehalle. Aber das ist wohl Zufall.