Erkelenz. . Der NRW-Ministerpräsident setzt sich erstmals persönlich mit den Bewohnern im Braunkohle-Revier auseinander.

Dass dies kein Schönwetter-Termin wird, spürt Armin Laschet spätestens auf der matschigen Freifläche an der Kirche „Heilig Kreuz“ in Erkelenz-Keyenberg. Seit Stunden schon ist der Ministerpräsident in jenen Ortschaften unterwegs, die noch für den Braunkohle-Tagebau „Garzweiler II“ weggebaggert werden sollen. Häuser, Vereinsheime, Friedhöfe, Erinnerungen – alles verschwindet in 400 Meter tiefen Löchern. Laschet hat bei zwei Familien im Wohnzimmer gesessen, die bald ihr Zuhause verlieren. Und im Pfarrsaal von Erkelenz-Kuckum hat er sich anschreien lassen, man werde „den Teufel tun“, das geliebte Elternhaus einer Energiequelle „von gestern“ zu opfern.

Jetzt steigt Laschet in Keyenberg auf eine Sperrholz-Kiste und soll vor Menschen sprechen, die sich zu einem Protestspaziergang entlang der Abbruchkanten des rheinischen Reviers versammelt haben. Es regnet in Strömen. Laschet blickt in mürrische Gesichter und auf höhnische Plakate. Auf einem steht: „Herr Laschet, wenn Ihre Heimat weggebaggert wird, wäre das ok?“

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Der Ministerpräsident hat einen schweren Stand. Ihm wird vorgeworfen, sich im Streit um den Hambacher Forst und das Ende der Braunkohle einseitig hinter den Energiekonzern RWE und den Industriestandort NRW gestellt zu haben. Diesen Eindruck will Laschet mit seinem Besuch korrigieren. Der CDU-Politiker hat zumindest den Vorteil, dass keiner seiner Amtsvorgänger je hier war. Nicht einmal Johannes Rau, der „versöhnen statt spalten“ wollte.

"Keine falschen Hoffnungen wecken“

„Es ist mutig, sich hier hinzustellen. Ich find’ das toll“, sagt Naturführer Michael Zobel, ein Mann mit Wanderschuhen und Försterhut, der ansonsten kein gutes Haar an der Landesregierung lässt. Er habe „nicht das Gefühl, dass das nur ein Termin für die Presse ist“. Laschet will im Braunkohle-Streit erkennbar in eine moderierende Landesvater-Rolle finden, erliegt jedoch nicht der Versuchung, den Betroffenen mit Politiker-Floskeln das Blaue vom Himmel zu versprechen. Die Braunkohle-Förderung werde im rheinischen Revier frühestens „irgendwann in den 30ern“ enden, sagt er. Was das für die Erkelenzer Ortschaften bedeute, könne er nicht sagen: „Man darf da keine falschen Hoffnungen wecken.“

Laschet erklärt, dass er selbst die Jahrzehnte alten Planungsgrundlagen für die Braunkohle-Förderung in NRW ja gar nicht geschaffen habe. Als heutiger Ministerpräsident mitten in der Energiewende müsse er aber die Interessen der Industrie im Blick haben, die zu jeder Sekunde wettbewerbsfähigen Strom benötige. Und die von Tausenden Beschäftigten. Gewiss, die Braunkohle ist ein Klimakiller. Doch Laschet findet: „Wer glaubt, dass das 1,5 Grad-Ziel für das Weltklima in Kuckum oder Hambach entschieden wird, weckt Illusionen.“

Die „Kohlekommission“ der Bundesregierung, die er selbst angeregt habe, werde in einigen Wochen einen Vorschlag machen, wann man aus der Braunkohle aussteigen kann. „Sofort!“, schleudert ihm da einer in Keyenberg entgegen. Laschet erreicht prompt jene Betriebstemperatur, die auch Zwischenrufe im Landtag bei ihm entfachen können. „Passt mal auf“, ruft er im rheinischen Plural, gestikuliert, rattert seine energiepolitischen Überlegungen runter. „Lasst mich doch wenigstens mal den Zusammenhang erklären“, motzt er. Oder: „Das wird womöglich nicht Ihre Zustimmung finden.“

Da Braunkohle-Gebiete schon oft Orte leerer Versprechen waren, scheint man den Auftritt des Ministerpräsidenten dennoch zu honorieren. Immerhin Klartext. Laschet hört sich viele Einzelschicksale an, will sich bei RWE für faire Umsiedlungsbedingungen einsetzen und bekennt: „Das ganze Land hat denen, die umgesiedelt werden, viel zugemutet.“ Der Grünen-Kommunalpolitiker Hans-Jürgen Dederichs, der den Ministerpräsidenten eingeladen hatte, sieht trotz aller Kontroversen gewachsenen Respekt auf beiden Seiten. Seine Hoffnung nach der persönlichen Begegnung: „Dass ein neuer Ton Eingang findet.“ Am Ende wird Laschet sogar ein Präsentkorb überreicht.