Kerpen. . Nach Todessturz wurden die Baumhaus-Räumungen im Hambacher Wald vorerst gestoppt. Betroffenheit und Trauer eint die Gegner im Kohle-Konflikt.

Es ist ruhig im Hambacher Forst. Entsetzen, Schock und Trauer haben die aufgeladene Atmosphäre der vergangenen Tage vertrieben. Am Tag nach dem Tod des jungen Journalisten herrscht bei Braunkohlegegnern und Polizei, bei Politik und auch bei RWE Bestürzung. Und der Appell macht die Runde, dass nun alle Seite eine Denkpause einlegen sollten.

Die Landesregierung hatte die Räumungen der Baumhäuser unmittelbar nach dem Vorfall gestoppt. „Wir können jetzt nicht einfach weitermachen. Da ist ein Mensch gestorben“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU). Wann die Räumung fortgesetzt werde, sei offen.

Menschen mit Blumen in der Hand gingen gestern zur Unglücksstelle, dort wurde eine Gedenkminute eingelegt. „Ich finde es fatal, dass es erst zu so einem Punkt kommen musste, bevor überlegt wurde, die Räumung auszusetzen“, meinte Lykke, eine junge Aktivistin mit grünem Kurzhaarschopf.

Staatsanwalt: Hängebrücke war bereits beschädigt

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Am Mittwoch war der Video-Blogger durch die Bretter einer Hängebrücke zwischen zwei Baumhäusern aus fünfzehn Metern Höhe in die Tiefe gestürzt. Seine Verletzungen waren tödlich. Er wollte offenbar aus der Höhe die Räumung eines anderen Baumhauses filmen. Die Aachener Polizei sprach von einem Unglück. Der 27-Jährige wollte gerade eine Speicherkarte seiner Kamera wechseln, um sie einem Kollegen am Boden hinabzusenden, als die Bretter barsten. Die Polizei habe den zweiten Journalisten zuvor auf seine Bitte hin durch ihre Absperrung gelassen und begleitet, um den Austausch zu ermöglichen, erklärt Polizeisprecherin Sandra Steinbrock.

Nach Auskunft mehrerer Zeugen war kein Räumkommando direkt am Baum aktiv. Die Kriminalpolizei nahm Ermittlungen auf, einen Anfangsverdacht für eine Straftat gibt es laut Staatsanwaltschaft Aachen aber nicht. Die Hängebrücke sei bereits vorgeschädigt gewesen.

Auch unter Polizisten herrscht Betroffenheit

Auch unter den Polizeibeamten herrscht tiefe Betroffenheit: „Der tödliche Unfall macht auch die im Hambacher Forst eingesetzten Polizisten sprachlos“, sagte Rainer Peltz, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. „Unsere Gedanken und Gefühle gelten der Familie und den Freunden des Verstorbenen.“ Die Entscheidung, die Polizeiaktionen sofort zu unterbrechen, begrüßte Peltz ausdrücklich.

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Die Aktivisten und Umweltschützer finden ganz ähnliche Worte. Viele bezeichnen den Verunglückten als „einen Freund“, der seit langem dabei war. „Wir trauern“, schreibt der BUND, es sei „Zeit für eine Denkpause“. Die Umweltschutzorganisation Campact ruft nach einer politischen Lösung, um weitere Unglücke zu verhindern: „Statt gerodet muss geredet werden.“ Der Energiekonzern RWE, der den Forst abholzen will, um weiter Braunkohle fördern zu können, äußerte sich ebenfalls „tief betroffen“. „Wir sind erschüttert und bedauern diesen Unfall zutiefst“, ließ RWE-Vorstandsvorsitzender Rolf Martin Schmitz verlauten. Über weitere Planungen sagte der Konzern nichts.

Eine halbe Million Unterschriften übergeben

Die Grünen zogen ihren Antrag auf eine Landtagsdebatte über den Hambacher Forst am Donnerstag kurzfristig zurück. Nun sei „nicht der Tag des politischen Schlagabtausches“, erklärten die Parteivorsitzenden. Auch Greenpeace verschob aus ähnlich gelagerten Gründen eine Pressekonferenz. Gleichwohl übergaben Umweltschützer gestern in Düsseldorf mehr als eine halbe Million Unterschriften zum Erhalt des Waldes an Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Diese nannte die lange Liste ein „sehr beeindruckendes Zeichen, was bei uns gehört wird“.

Alle stünden noch unter Schock, sagte ein Aktivist gestern im Hambacher Forst. „Aber wir haben beschlossen, dass wir die Ruhe nutzen wollen, um weiter zu bauen.“