Chemnitz. Am Montag blieb Chemnitz im Scheinwerferlicht. 65.000 kamen zum „Wir sind mehr“-Konzert. Der Tag im Newsblog.
Chemnitz stand auch an diesem Montag wieder im Scheinwerferlicht: Als Reaktion auf die
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nach dem gewaltsamen Mord eines 35-Jährigen traten mehrere Bands in der Stadt gegen Fremdenfeindlichkeit auf.
Das wegen des erwarteten Andrangs inzwischen auf einen größeren Platz verlegte Gratiskonzert stand unter dem Motto
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. Es begann am späten Nachmittag. Aufgetreten sind unter anderem „Die Toten Hosen“, „Feine Sahne Fischfilet“ und die Chemnitzer Band „Kraftklub“.
• Überblick:
• Nach den Demonstrationen vom Wochenende ist es am Montag in Chemnitz ruhig geblieben.
• Am Nachmittag begann um 17 Uhr ein Konzert gegen Fremdenfeindlichkeit. Mit dabei waren Bands wie „Die Toten Hosen“ und „Kraftklub“. Die Stadtverwaltung schätzte die Besucherzahl auf 65.000.
+++ 22.25 Uhr: Sitzblockade an Gedenkstätte +++
An der Stelle, an der Daniel H. erstochen wurde, hat sich am späten Abend eine Sitzblockade gebildet. Unsere Reporterin vor Ort, Johanna Rüdiger, spricht von rund 70 linken Aktivisten, die auf dem Boden Platz genommen haben. Platzverweise der Polizei seien nicht befolgt worden. Sie rufen „Alerta, alerta, antifascista“. Ungefähr 100 Polizisten sind an der Gedenkstätte. Einige Linke wollen Nazis bei den niedergelegten Blumenkränzen gesehen haben. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Die Lage ist unübersichtlich.
+++ 21.00 Uhr: Campino singt „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten +++
Nach Auftritten von Bands wie „Kraftklub“, „Feine Sahne Fischfilet“ und „K.I.Z.“ haben die „Toten Hosen“ das Benefizkonzert beendet. Tote Hosen-Frontmann Campino hat zum Abschluss gemeinsam mit Rodrigo González von „Die Ärzte“ sowie Arnim Teutoburg-Weiß von den „Beatsteaks“ den Ärzte-Song „Schrei nach Liebe“ gesungen.
Das Lied war erstmals 1993 erschienen. 2015 unterstützte die Band mit dem Song die „Aktion Arschloch“, die sich gegen fremdenfeindliche Ausschreitungen richtete und für Toleranz warb. Ziel war es, „Schrei nach Liebe“ zurück in die Charts zu bringen und alle Einnahmen durch die Aktion zu spenden. Bereits eine Woche nach Beginn der Aktion schafften „Die Ärzte“ mit dem Song den Sprung auf Platz Eins der offiziellen deutschen Single-Charts. „Schrei nach Liebe“ erreichte damit zum ersten Mal in seiner 22-jährigen Geschichte Platz Eins der Charts.
Am Ende des Tote Hosen-Konzerts stimmten Zehntausende Sprechchöre mit Rufen wie „Alerta, alerta, antifascista“ und „Wir sind viele“ an.
+++ 19.22 Uhr: ÖPNV überlastet – Polizei warnt vor vollen Zügen bei der Abreise
Die Polizei Mitteldeutschland hat die Konzertbesucher in Chemnitz via Twitter dazu aufgerufen, rechtzeitig ihre Rückreise in andere Städte wie etwa Dresden oder Leipzig zu planen – und nicht auf die letzten Züge zu setzen. Das Reiseaufkommen sei extrem hoch.
Der öffentliche Nahverkehr vom Konzert Richtung Zentrum sei ebenfalls eingestellt worden.
+++ 19.05 Uhr: Mobilfunknetze überlastet +++
Wer vom Konzert in Chemnitz mit dem Handy telefonieren oder Nachrichten verschicken, Tweets oder sonstige Post absetzen will, der hat schlechte Karten. Das Mobilfunknetz ist laut Polizei überlastet.
+++ 18.45 Uhr: Unis in Sachsen beklagen zu laschen Umgang mit Rechtsextremismus +++
Harte Kritik an der Landesregierung: Die Rektoren der sächsischen Hochschulen haben der Politik in Sachsen ein zu lasches Vorgehen gegen Rechtsextremismus vorgeworfen. „Wir erleben, dass Sachsen inzwischen ein massives Problem mit Rechtsextremismus hat, das jahrelang von großen Teilen der Politik und den Behörden unterschätzt und teilweise sogar verharmlost wurde“, hieß es in einer am Montag verbreiteten Erklärung der Landesrektorenkonferenz.
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Die Universitäten und Hochschulen in Sachsen stünden für Weltoffenheit und Toleranz, Menschlichkeit und Respekt. Dies seien – wie auch die Freiheit von Forschung und Lehre – unantastbare Werte. „Durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre in Sachsen und zuletzt in Chemnitz sehen wir diese Werte bedroht“, teilten die Rektoren mit.
Das „Wir sind mehr“-Konzert in Chemnitz
„Die Politik fordern wir auf, sich über Parteigrenzen hinweg stärker als bisher rechtsradikalen Tendenzen entgegenzustellen und konsequent gegen jede Form von Rechtsextremismus einzuschreiten“, betonten die Rektoren. Auch die Wissenschaft in Form der Unis und Hochschulen sei auch selbst gefordert, für ihre Werte deutlicher einzustehen und sich in den gesellschaftlichen Diskurs stärker einzubringen.
+++ 18.05 Uhr: Veranstalter gehen von 50.000 Teilnehmern aus +++
Zu dem Konzert gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind nach Angaben der Stadtverwaltung am frühen Montagabend rund 50.000 Menschen gekommen. Neben dem Konzertgelände auf dem Platz vor der Johanniskirche in der Innenstadt waren zwei weitere Straßenzüge für den Verkehr gesperrt worden, wie eine Polizeisprecherin sagte. Teilnehmer reisten aus verschiedenen Teilen Deutschlands an.
+++ 17.55 Uhr: Theater Chemnitz laden zu Gratis-Klassik-Konzert am Freitag +++
Am Montag Rap und Rock, vier Tage später Klassik: Die Theater Chemnitz laden am Freitag zu einem Gratis-Konzert auf den Theaterplatz ein. Unter anderem Solisten und Chöre der Oper Chemnitz, die Robert-Schumann-Philharmonie, die Singakademie Chemnitz und der Universitätschor der TU Chemnitz führen die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven auf.
Wie die Theater Chemnitz am Montag mitteilten, steht das Konzert unter dem Titel „Gemeinsam stärker – Kultur für Offenheit und Vielfalt“. Darüber hinaus werden auch die Theatersparten Ballett, Schauspiel und Figurentheater bei dem Open-Air-Konzert mitwirken, hieß es. Man wolle ein Zeichen setzen und den Tendenzen zu Fremdenfeindlichkeit, Hetze und Gewalt konsequent entgegentreten.
+++17.29 Uhr: Trettmann tritt als Erster auf +++
Als erster Künstler trat Lokalmatador Trettmann auf die Bühne. Mit jeweils zehn Minuten Pause zwischen den einzelnen Auftritten folgten Feine Sahne Fischfilet, die Hip-Hopper K.I.Z., Kraftklub sowie Nura mit Marteria und Casper. Zum Abschluss des mehr als vierstündigen kostenlosen Open-Air-Konzerts waren als Highlight Die Toten Hosen aus der Chemnitzer Partnerstadt Düsseldorf eingeplant.
Gegenveranstaltungen des islamfeindlichen Bündnisses Thügida und der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz gibt es keine. Die Begründung der Stadt: Die Veranstaltungsflächen sind schon belegt.
+++17.11 Uhr: Konzert beginnt mit Schweigeminute +++
Das Konzert unter dem Motto
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beginnt mit der Begrüßung durch die Organisatoren – und einer Schweigeminute für den getöteten Daniel H.
„In einer Sache sprechen wir mit einer Stimme: Wir geben keinen Platz hier für Menschenjagden. Keinen Platz für Rassismus. Wir sind mehr“, ruft die Rednerin zur Begrüßung. Tausende Konzert-Besucher skandierten „Nazis raus!“ vor der Bühne.
+++ 15.55 Uhr: Die Pressekonferenz zu #wirsindmehr ist zu Ende +++
Felix Brummer von Kraftklub sagte auf der Pressekonferenz: „Wir sind nicht naiv, wir wissen, ein Konzert kann nicht die Welt retten. Aber es ist wichtig, dass die Leute sich nicht allein gelassen fühlen.“ Außerdem versprach er: „Wir werden auch noch hier sein (in Chemnitz; Anm. d. Red.) wenn die Kameras weg sind.“
Campino: „Wir haben uns gefreut, dass wir als alte Cowboys kurz vor der Rente noch gefragt werden“. Es gehe nicht nur um die Musik, „da ist jede Menge Subtext“. Leute, die von überall her kommen und sich frei genommen haben, beweisen, „dass sie sich solidarisch mit den Leuten hier erklären“. Es sei kein Kampf Rechts gegen Links, es gehe um die Mitte.
Marteria meinte, er fühle sich durch die Vorkommnisse in Chemnitz an die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen erinnert. Er habe damals 1992 in Rostock gewohnt und es sei ein unfassbar schlimmer Moment für ihn gewesen. Genau wie damals in Rostock habe sich jetzt in Chemnitz etwas aufgebauscht. Er solidarisiere sich mit den Menschen, die sich dagegenstellen.
Er selbst habe jahrelang damit zu kämpfen gehabt, dass Rostock als „Nazi-Stadt“ abgestempelt war. „Wir haben ganz, ganz lange in Rostock dafür gekämpft, dass sich das Bild ändert. Mir geht es darum, dass die Leute, die aus Sachsen, aus Chemnitz sind, auch sagen können: „Hey, ich bin aus Chemnitz“, ohne dass gesagt wird: „Ah, musst Du also ein Nazi sein.““
Monchi von Feine Sahne Fischfilet meinte: „Die Nazis sind im Erfolgsrausch.“ Rechte hätten sich in den letzten Tage lustig darüber gemacht, weil sie so viele waren und es so wenig Gegendemonstranten gegeben hätte. Deshalb sei das Konzert wichtig, „weil wir für einen Tag den Nazis zeigen: Euch gehört nicht die Straße“.
Sören Uhle, Geschäftsführer der Chemnitzer Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die das Konzert mitorganisiert, sagte, er rechne mit mehr als 20.000 Besuchern.
+++ 15: Pressekonferenz zu #wirsindmehr gestartet +++
+++14.26: Konzertbesucherin reiste aus München nach Chemnitz +++
Unsere Reporterin Johanna Rüdiger ist in Chemnitz und hat vor dem Konzert mit Passanten gesprochen. Sie berichtet:
Birgit Demeter steht direkt vor der Absperrung vorne an der Bühne. Die 47-Jährige ist mit ihrer Tochter aus München angereist. „Das ist ehrlich gesagt meine erste Demo“, sagt sie über das Konzert. Sie habe die schrecklichen Bilder aus Chemnitz gesehen und wollte sofort los. „Mir war klar, ich kann nicht einfach auf der Couch rumhängen und warten, dass es besser wird, ich muss was tun“.
Die Kritik am Konzert kann sie nicht verstehen: „Ich glaube, jeder Event, jede Fackel, alles hilft, und mit einem solchen Konzert werden auch Leute wie ich angesprochen, die sich vielleicht nicht auf eine richtige Demo trauen würden.“ Sie habe Angst, das alles schlimmer wird, wenn sie jetzt nichts tue. „Die Bands sind mir gar nicht so wichtig, darum geht es nicht“.
+++ 14.17 Uhr: Spendensammlung während „#wirsindmehr“-Konzerts +++
Während des «#wirsindmehr»-Konzerts in Chemnitz wird Geld gesammelt für die Familie des am Rande des Stadtfests getöteten Mannes. Die Besucher sollten am Montagabend Ausschau nach Spendendosen halten und ordentlich was reinschmeißen, teilten die Organisatoren des Konzerts auf Facebook mit.
Die Hälfte des gesammelten Geldes solle an die Familie des getöteten 35-Jährigen gehen. Mit der anderen Hälfte sollten «antifaschistische, antirassistische und zivilgesellschaftliche Initiativen in Sachsen» unterstützt werden, «die sich kontinuierlich gegen den Rechtsruck und für eine solidarische Gesellschaft fernab von Rassismus einsetzen».
Zu dem Gratis-Konzert unter anderem mit den Toten Hosen und Kraftklub haben auf Facebook inzwischen mehr als 38 000 Menschen ihre Teilnahme angekündigt. Mit dem Konzert sollen die Besucher nach einer Woche mit rechtspopulistischen Aufmärschen in Chemnitz zeigen, dass sie gegen Rassismus und rechte Hetze sind.
+++ 13.45 Uhr: Feine Sahne Fischfilet meldet sich aus Chemnitz +++
„Chemnitz, wir sind da! Kommt Alle und lasst uns zeigen, dass wir dem rassistischen Mob nicht unwidersprochen die Straße überlassen!“ So meldete sich die Links-Rock-Band Feine Sahne Fischfilet via Facebook bei ihren Fans. Ein Foto zeigt die Band-Mitglieder unter dem erühmten Kopf von Karl Marx in der Chemnitzer City.
+++ 12.40 Uhr: Stadt stoppt Thügida und Pro Chemnitz +++
Die Stadt Chemnitz hat zwei Kundgebungen gegen das „Wir sind mehr“-Konzert untersagt. Die rechte Bewegung Thügida wollte sich in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsgelände unter dem Motto „Gegen antideutsche Kommerzhetze“ versammeln. Wie die Stadtverwaltung am Montag mitteilte, wurde die Kundgebung nicht genehmigt.
Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Veranstaltungsfläche bereits belegt sei. Mit dem gleichen Argument wurde auch eine Kundgebung der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz untersagt.
+++ 11.50 Uhr: Tatverdächtige von Chemnitz sagen aus +++
Im Fall des in Chemnitz getöteten Deutschen haben die beiden Tatverdächtigen in den Vernehmungen Aussagen zu den Vorwürfen gemacht. „Sie haben sich eingelassen“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Ingrid Burghart am Montag. Zu den Einzelheiten mache sie jedoch keine Angaben.
Es gebe bislang noch keine Erkenntnisse zum Anlass des Streits, der den tödlichen Messerstichen vorangegangen ist. Die Tatverdächtigen hatten laut Haftbefehl „ohne rechtfertigenden Grund mehrfach mit einem Messer auf einen 35-jährigen Deutschen eingestochen“.
+++ 11.25 Uhr: CDU kritisiert Steinmeier wegen Unterstützung für Konzert +++
Die CDU-Spitze rügt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wegen dessen Unterstützung auf Facebook für ein Konzert gegen Rechts in Chemnitz. Dabei tritt an diesem Montagabend auch die linksgerichtete Punkband Feine Sahne Fischfilet auf.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte der „Welt“: „Ich halte das für sehr kritisch. Denn das, was wir wollen, ist, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat gegen Rechts zu schützen. Und wenn man das dann mit denen von Links tut, die genau in der gleichen Art und Weise auf Polizeibeamte verbal einprügeln (...), dann halte ich das für mehr als kritisch.“
Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern hatte Feine Sahne Fischfilet zwischenzeitlich wegen „linksextremistischer Bestrebungen“ im Blick, seit längerem jedoch nicht mehr.
+++ 9.50 Uhr: AfD steigt in einer Umfrage auf 16 Prozent +++
Nach den Protesten in Chemnitz gegen die Asylpolitik der Bundesregierung gewinnt die AfD in der Wählergunst. Im neuen RTL/n-tv-Trendbarometer legt die Partei um zwei Prozentpunkte auf 16 Prozent hinzu. Auch in Umfragen anderer Institute liegt die AfD, schon jetzt größte Oppositionspartei im Bundestag, zurzeit bei 16 bis 17 Prozent.
Zulegen im Trendbarometer können auch die Grünen: um einen Punkt auf ebenfalls 16 Prozent. Die Union erreicht demnach 30 Prozent, die SPD 17 Prozent. FDP und Linke liegen gleichauf bei 8 Prozent. 5 Prozent würden sich für eine der sonstigen Parteien entscheiden.
+++ 8.32 Uhr: Ministerin Giffey: Mehr Solidarität mit Chemnitz +++
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat ihre Kabinettskollegen aufgefordert, ihrem Beispiel zu folgen und nach Chemnitz zu fahren. „Es wäre gut, wenn auch andere Mitglieder der Bundesregierung dort vor Ort Gesicht und Stimme zeigen würden“, sagte sie am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Giffey war am vergangenen Freitag in Chemnitz.
„Es ist einfach so, dass es Momente gibt, da passieren Dinge in Deutschland, da muss die Regierung einfach da sein. Und deshalb bin ich auch dorthin gefahren“, erklärte Giffey.
+++ 8.10 Uhr: Maas kritisiert Bequemlichkeit in der Gesellschaft +++
Außenminister Heiko Maas hat mehr Einsatz gegen Rassismus gefordert. Der „Bild am Sonntag“ sagte der SPD-Politiker: „Es hat sich in unserer Gesellschaft leider eine Bequemlichkeit breit gemacht, die wir überwinden müssen. Da müssen wir dann auch mal vom Sofa hochkommen und den Mund aufmachen.“ (dpa)