Münster. SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Kutschaty hat Minister Joachim Stamp scharf angegriffen. Er sei für den Schlamassel um Sami A. verantwortlich.

Nach der OVG-Entscheidung zur umstrittenen Abschiebung von Sami A. hat der frühere NRW-Justizminister und jetzige SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Thomas Kutschaty, den für die Abschiebung verantwortlichen Integrationsminister scharf angegriffen: „Den Schlamassel haben wir Herrn Stamp zu verdanken“, erklärte Kutschaty gegenüber dieser Redaktion. „Er hat das Gelsenkirchener Gericht getäuscht und den Rechtsstaat in einer Dimension beschädigt, wie ich es in 25 Jahren in der Justiz noch nie erlebt habe.“

Es gebe jetzt keine Möglichkeit mehr, den Gefährder in Gewahrsam zu nehmen, da ihm keine Straftat vorgeworfen wird und eine Abschiebung derzeit ausgeschlossen sei. „Dafür ist Joachim Stamp verantwortlich“, sagte Kutschaty und fragte: „Erstattet er jetzt persönlich die Kosten für den Flug?“

Auch Minister Laschet sei in der Verantwortung

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Allein die Reise nach Tunesien habe 35.000 Euro gekostet. Auch Ministerpräsident Armin Laschet, der erklärt habe, die Abschiebung sei nach Recht und Gesetz verlaufen, sei in der Verantwortung: „Entschuldigt er sich jetzt beim Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen?“

Stamp bedauerte, dass sich das OVG nicht mit dem angeblichen Abschiebehindernis in der Sache befasst habe: „Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass Sami A. in Tunesien weder gefoltert wurde, noch ihm dort künftig Folter droht.“ Das Gericht lasse ihn ratlos zurück. Den Vorwurf, das Gericht getäuscht zu haben, will er mit der Veröffentlichung von Dokumenten entkräften, kündigte er an und versicherte: „Unser Kurs der konsequenten Abschiebung von Gefährdern wird unverändert fortgesetzt.“

Oberverwaltungsgericht: Sami A. muss zurück nach Deutschland

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Nach wochenlangem juristischen Tauziehen müssen die Behörden den abgeschobenen Islamisten Sami A. endgültig nach Deutschland zurückholen. Die Abschiebung sei rechtswidrig gewesen. Der als Gefährder geltende Sami A. habe deshalb einen Anspruch, dass die Behörden ihn auf Kosten des Staates zurück nach Deutschland holen, entschied das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht am Mittwoch.

Die Stadt Bochum will den Beschluss akzeptieren und keine weiteren rechtlichen Schritte einleiten. Der von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am 13. Juli nach Tunesien abgeschoben worden. Dabei hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine Abschiebung einen Tag zuvor untersagt. Die Richter hatten Sorge, dass Sami A. in Tunesien gefoltert werden könnte. Der Beschluss wurde der zuständigen Behörden aber erst zugestellt, als Sami A. am Morgen danach bereits im Flugzeug nach Tunesien saß.

Die Richter übten in ihrem Beschluss deutliche Kritik am Vorgehen der Behörden. Die Richter in Gelsenkirchen seien über die unmittelbar bevorstehende Abschiebung "im Unklaren gelassen worden". Hätten die Behörden die Kammer wie erbeten über den Abschiebetermin informiert, hätten die Richter um die Eilbedürftigkeit ihrer Entscheidung gewusst und entsprechend handeln können. Damit wäre "die nunmehr eingetretene Situation vermieden worden", betonte das OVG.

Für Sami A. gilt eine Wiedereinreisesperre

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Noch am Morgen des 13. Juli während des Fluges hätten die Behörden reagieren können, erklärte das Gericht. Die Abschiebung hätte so noch rechtzeitig abgebrochen werden können, als das Urteil zugestellt wurde. Dazu wären die Behörden verpflichtet gewesen. Wie schnell Sami A. nun nach Deutschland zurückkehren könnte, ist unklar. Der 42-Jährige werde nicht geholt, sondern müsse von sich aus nach Deutschland zurückreisen, sagte ein Sprecher der Stadt Bochum.

Das Auswärtige Amt müsse Sami A. ein Visum für die Einreise ausstellen. "Wir als Stadt geben der Anwältin von Sami A. jetzt eine Kostenzusage für den Rückflug", sagte Sprecher Thomas Sprenger. Mehr könne die Stadt dann nicht tun.Zuletzt hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Tunesien allerdings betont, gegen den aus Deutschland abgeschobenen Gefährder werde ermittelt, und er müsse in Tunesien bleiben.

Die Grünen fordern Stamps Rücktritt

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen forderten umgehend den Rücktritt von Landesflüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP). Stamp habe sich frühzeitig zu seiner politischen Verantwortung beim Vorgehen im Fall Sami A. bekannt. Die zwangsläufige Konsequenz könne nur ein Rücktritt sein.

Sami A. lebte seit Jahren mit Frau und Kindern in Bochum. Er war 1997 zum Studium nach Deutschland gekommen. In einer früheren Entscheidung sah das OVG es als erwiesen an, dass er eine militärische Ausbildung in einem Lager der Al-Kaida in Afghanistan erhalten hatte und zeitweise zur Leibgarde von Terrorchef Osama bin Laden gehörte.

Der Fall Sami A. hat die Gerichte bereits 14 Mal beschäftigt

Anschließend soll sich Sami A. in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Tunesier hat diese Vorwürfe stets bestritten, entsprechende Zeugenaussagen gegen ihn bezeichnet er als falsch. 2006 leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, um zu klären, ob Sami A. Mitglied einer ausländischen Terrorgruppe war. Es wurde ein Jahr später eingestellt, weil sich der Tatverdacht nicht "mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen hinreichenden Sicherheit" erhärten lasse.

Nach Angaben des Düsseldorfer Justizministeriums hat der Fall Sami A. allein zwischen 2006 und Juni 2018 schon 14 Mal Gerichte in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Für die Entscheidung, dass Sami A. nach Deutschland zurückgeholt werden müsse, ist es dem OVG zufolge ohnehin unerheblich, ob die Behörden ihn als Gefährder einschätzen. (tobi/mit dpa)