Essen. Die NRW-SPD arbeitet an der Abschaffung des Hartz-IV-Systems. Das kündigte Fraktionschef Thomas Kutschaty gegenüber unserer Redaktion an.

Die NRW-SPD macht Front gegen die Hartz-IV-Gesetze. „Wir brauchen eine große Sozialstaatsreform, die dann auch nicht mehr den Namen eines verurteilten VW-Managers tragen darf. Ich wünsche mir, dass aus der nordrhein-westfälischen SPD heraus dafür ein Modell entwickelt wird, das soziale Sicherheit und Leistungsgerechtigkeit endlich wieder in Einklang bringt“, sagte Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty unserer Redaktion.

Die Partei müsse sich ehrlich machen, forderte Kutschaty: „Die SPD kann bis heute nicht erklären, warum der 49-jährige Facharbeiter nach einem Jahr Arbeitslosigkeit genauso behandelt wird wie der 25-Jährige, der noch keinen Tag in seinem Leben gearbeitet hat. Das hat das Gerechtigkeitsempfinden unserer Anhänger tief verletzt.“

Es vergehe kein Tag, an dem er
Es vergehe kein Tag, an dem er "nicht von unseren Mitgliedern und Anhängern auf Fehlentwicklungen durch die Hartz-Reformen angesprochen werde", sagt Thomas Kutschaty (SPD). © Lars Heidrich/FUNKE Foto Services

Kutschaty, der im April gegen den Widerstand einflussreicher SPD-Größen in NRW zum Landtagsfraktionschef gewählt wurde und nun als wahrscheinlicher Herausforderer von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet 2022 gilt, profiliert sich damit weiter als Hartz-IV-Kritiker. Schon beim Landesparteitag Ende Juni hatte er dazu aufgerufen, mit der Politik von Ex-Kanzler Gerhard Schröder zu brechen und dessen damalige Arbeitsmarkt-Reformen zu widerrufen.

Sozialpolitische Kehrtwende

Angesichts der dramatischen Umfrage-Misere der SPD (Emnid: 17 Prozent, Forsa: 18 Prozent) gilt die sozialpolitische Kehrtwende als Versuch, abgewanderte Stammwähler gerade im Ruhrgebiet zurückzugewinnen. SPD-Vizekanzler Olaf Scholz hatte sich dagegen mehrfach gegen die Abschaffung von Hartz IV ausgesprochen.

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Er sei seit 13 Jahren Berufspolitiker, sagte Kutschaty weiter, „und es vergeht seither kein Tag, an dem ich nicht von unseren Mitgliedern und Anhängern auf Fehlentwicklungen durch die Hartz-Reformen angesprochen werde. Dann muss man auch endlich den Mut haben zu sagen: Wir ändern das. Und zwar ohne Freibier für alle zu versprechen.“

Kutschaty ließ zunächst offen, ob die geplante Sozialstaatsreform von der NRW-SPD als Antrag für einen Bundesparteitag oder mit Hilfe einer Expertenkommission erarbeitet wird. Als Stellschraube gilt die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I, die bei Menschen mit langjähriger Erwerbsbiografie auf bis zu 36 Monate ausgeweitet werden soll. Zudem sind Korrekturen beim sogenannten Schonvermögen im Gespräch, damit erkrankte oder unverschuldet arbeitslos gewordene Menschen nicht mehr ihre gesamten Ersparnisse aufzehren müssen.