Dortmund. . In Dortmund entsteht mit Bundesmitteln ein Zentrum für Künstliche Intelligenz. Anwendungen reichen von der Verkehrslenkung bis zur Krebsforschung

Im Smartphone, im selbstfahrenden Auto, in der Amazon-Werbung oder in der Krebsdiagnostik – überall ist heute Künstliche Intelligenz (KI) am Werk, ohne dass wir es bemerken. Da Deutschland in der Ausbildung und Anwendung auf diesem Gebiet Nachholbedarf hat, will die Bundesregierung nun Gas geben. „Wir werden eine ordentliche Schippe drauflegen“, sagte die neue Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und kündigte kürzlich beim Besuch dieser Zeitung an, mit 30 Millionen Euro vier Kompetenz-Zentren für Maschinelles Lernen auf den Weg zu bringen. Eines davon entsteht in Dortmund. Prof. Katharina Morik soll das neue Zentrum führen, die Informatikerin leitet den Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz und gilt als führend auf ihrem Gebiet. Von Dortmund aus soll sie künftig auch die neuen Zentren in Berlin, München und Tübingen koordinieren.

Was ist Maschinelles Lernen?

Ein wichtiger Teilbereich von Künstlicher Intelligenz ist Maschinelles Lernen, dessen Anwendungsfeld rasant wächst. „Von Maschinellem Lernen sprechen wir, wenn ein Programm aus Beispielen selbstständig lernt, Muster zu erkennen und Zustände vorherzusagen.“ Maschinen können so beispielsweise lernen, auf Fotos bestimmte Objekte zu erkennen, Texte zu verarbeiten und zu übersetzen, Verkehrsströme zu lenken oder gar im Dienste der Astrophysik bestimmte Weltraumphänomene zu entdecken, erklärt die Informatikerin. Die Zahl zukünftiger Anwendungsgebiete ist riesig und wird nach Ansicht von Experten in den kommenden Jahren viele Gesellschafts- und Wirtschaftsbereiche erobern. Die neuen Forschungszentren sollen sicherstellen, dass Deutschland bei dieser wichtigen Zukunftstechnologie den Anschluss nicht verpasst.

Was kann das System leisten?

Ein Beispiel: „In der industriellen Fertigung eines Bauteils kann das System lernen, während des Herstellungsprozesses festzustellen, ob die Qualitätsanforderungen eingehalten werden. Das spart enorme Kosten.“ Auch beim autonomen Fahren spielt es eine Rolle, da es aus einer Unzahl von Daten die richtigen Informationen herausfiltert und selbstständig Aktionen einleitet. Die Zukunft wäre: Weg vom eigenen Auto, hin zu Mobilitätsdienstleistungen.

Katharina Morik

Katharina Morik, 1954 in Hagen geboren, gilt als Pionierin auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Bereits nach ihrer Promotion in Hamburg 1981 arbeitete sie an einem entsprechenden Projekt. An der TU Berlin übernahm sie 1985 die Projektleitung an einem Forschungsvorhaben zum Maschinellen Lernen.

Seit 1991 ist Morik Professorin im Fachbereich Informatik an der TU Dortmund. Seit Januar 2011 leitet sie dort einen Sonderforschungsbereich (SFB 876) der mit 14 Projekten.

„Maschinelles Lernen ist die Schlüsseltechnologie für viele Bereiche“, sagt Morik. Auch in der Medizin. Mit dem Klinikum Essen arbeiten die Informatiker an einem Projekt zu genetischen Früherkennung einer Krebserkrankung bei Kindern, dem Neuroblastom, einer bösartigen Erkrankung des Nervensystems. „Wenn wir herausfinden, welche genetische Disposition eine Selbstheilung erleichtert, erspart das dem Kind womöglich eine Chemotherapie“, sagt Morik. Auch in der Analyse von Röntgenbildern, der Wirkungsforschung von Medikamenten oder der Suche von Viren in kleinsten Proben helfen maschinelle Lernverfahren.

Neue Arbeitsplätze durch KI-Technologien

Müssen wir uns vor der Digitalisierung so vieler Lebensbereiche fürchten? „Nein“, meint sie. „Es ist eine Frage der Verteilung von Arbeit und wie wir die Technik einsetzen.“ Sie ist überzeugt, dass mit KI-Technologien viele Arbeitsplätze entstehen werden, wenn „Menschen und Maschinen gemeinsam etwas leisten können, was der Mensch alleine nicht schafft.“ In Japan sei dieser Gedanke bereits weit verbreitet. Zum Beispiel in der Verkehrslenkung: Ein Mitarbeiter am Bahnsteig registriert, wenn zu viele Menschen fahren wollen, die Technik leitet dann die nötigen Maßnahmen ein.

„Wir müssen Menschen und Maschinen mehr zusammendenken“, sagt Morik. Die Vorstellung, dass in Zukunft Roboter unsere Aufgaben übernehmen, sei falsch. „Wir sollten eher an Möglichkeiten denken, die Technik zum Wohle der Menschen einzusetzen.“

Was leisten die neuen Zentren?

Die neuen Kompetenzzentren sollen dabei helfen, die Anwendungen breiter aufzustellen, erklärt die Informatikerin. Dazu möchte sie die internationale Spitzenforschung mit kleinen und innovativen Firmen zusammenbringen. „Da sind wir im Ruhrgebiet sehr gut aufgestellt“, etwa mit Firmen wie Rapidminer in Dortmund, einem Weltmarktführer im Bereich der Datenanalyse. Das Unternehmen entstand als Ausgründung aus ihrem Lehrstuhl. Morik: „Der Knackpunkt ist: Wir brauchen dringend mehr Professoren. Denn wenn wir die Leute nicht ausbilden, fehlt uns der Nachwuchs.“ Sie hätte nichts dagegen, wenn die Landesregierung diesen Ball aufnimmt.