Essen. Bei drohender Terrorgefahr soll die sogenannte elektronische Aufenthalts-Überwachung (EAÜ) von potenziellen Tätern möglich sein.

Was ist laut Gesetzentwurf geplant?

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte an, dass terroristische Gefährder künftig auch in NRW, wie bereits in Süddeutschland, mit elektronischen Fußfesseln überwacht werden können. Bei drohender Terrorgefahr soll die sogenannte elektronische Aufenthalts-Überwachung (EAÜ) von potenziellen Tätern möglich sein - und zwar dann, wenn „das individuelle Verhalten der Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in absehbarer Zeit terroristische Straftaten begehen wird“, so Reul.

Die elektronische Fußfessel enthält einen Sender, der ständigen Funkkontakt mit einer Basisstation hat. Empfängt die Station kein Signal, weil der Sender sich außerhalb ihrer Reichweite befindet oder zerstört wurde, wird die überwachende Behörde alarmiert.

Während in NRW die Debatte um die Verschärfung des Gesetzes hochkocht, gilt das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern bereits seit Mai. Kritiker bezeichnen es als schärfstes Gesetz der Nachkriegszeit in ganz Deutschland. Gefährdern können hier Fußfesseln angelegt werden. Auch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) plädiert für den Einsatz der elektronischen Fesseln bei terroristischen Gefährdern.

Pro: Was spricht dafür?

Die elektronische Fußfessel soll in engen Grenzen auch bei Fällen von Stalking erlaubt werden. Die Rede ist von "High-Risk-Fällen“, die vorliegen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen. Von der Fußfessel erhofft sich die Polizei eine Alternative zur personalintensiven Überwachung durch Polizeibeamte. „Denn diese Personen müssen sonst zum Beispiel abgehört und observiert werden. Das ist natürlich sehr personalintensiv“, so Reul. So erfordert die lückenlose Überwachung einer Person rund um die Uhr mehr als 30 Beamte.

Die Gewerkschaft der Polizei NRW, die den Einsatz der Fußfessel grundsätzlich begrüßt, hält sich mit ihren Erwartungen zurück: Die Fußfessel könne die Überwachung bestimmter Personen lediglich unterstützen. Es gebe noch Nachbesserungsbedarf (siehe „Was spricht dagegen).

Verfassungsrechtliche Bedenken zu dieser Überwachungsmaßnahme bestünden nicht, meint Staatsrechtler Professor Kyrill-Alexander Schwarz. Der Einsatz von elektronischen Fußfesseln sei ein „geeignetes und verhältnismäßiges Mittel“, insbesondere „im Vergleich zu einer doch deutlich eingriffsintensiveren Dauerobservation.“ Die Fußfessel sei die bessere Alternative zum präventiven Polizeigewahrsam. Zudem habe der Gesetzgeber für den Schutz der gewonnenen Daten gesorgt.

Contra: Was spricht dagegen?

Der elektronischen Aufenthalts-Überwachung stehen viele Parteien kritisch gegenüber. Der tatsächliche Nutzen müsse sich für die Gewerkschaft der Polizei in NRW erst noch erweisen. Die technische Zuverlässigkeit sei noch nicht eingehend genug geprüft. Auch eine funktionierende elektronische Fußfessel sei nicht geeignet, Terror-Anschläge zu verhindern. Außerdem sei die Fußfessel kein Allheilmittel: Polizeibeamte müssten weiterhin zusätzlich zum Einsatz der Fußfessel die Person überwachen.

Auch für die Grünen NRW ist die Fußfessel „kein wirksames Instrument gegen Anschläge“. Es gebe deutliche Lücken. So weisen sie darauf hin, dass am Anschlag in der Kirche der französischen Stadt Saint-99 Étienne-du-Rouvray am 26. Juli 2016 ein Terrorist mit Fußfessel beteiligt war. (Die Fußfessel war wie jeden Morgen deaktiviert, der 19-Jährige durfte seine Wohnung vormittags kurzzeitig verlassen).

Wichtige Fragen, beispielsweise wie schnell die Polizei im Alarmfall bei dem Gefährder ist, seien zudem noch ungeklärt. Auch Amnesty International positioniert sich klar gegen die Überwachungsmaßnahme: Sie sei „ein Eingriff in das Menschenrecht auf Fortbewegungsfreiheit“. Zudem bestehen bei der technischen Sicherheit der Fußfesseln noch deutliche Lücken: In Bayern konnte ein Gefährder im Oktober 2017 mit Fußfessel ein Flugzeug besteigen ohne dass er aufgehalten wurde.

Helga Block, NRW-Datenschutz-Beauftragte, kritisiert, dass durch die elektronische Aufenthaltsüberwachung ein vollständiges Bewegungsprofil hergestellt werden kann. Wegen der Schwere des Eingriffs in das Leben der Betroffenen hat Block Zweifel, ob diese Maßnahme verfassungskonform ist.