Berlin. Innenminister Seehofer will das überlastete Bundesflüchtlingsamt umkrempeln. Die alte Chefin muss gehen, ein neuer Leiter ist gefunden.
Kurz nach der
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als Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ist ein Nachfolger gefunden: Das Amt soll der Leiter des Sachgebiets Ausländer- und Asylrecht im bayerischen Innenministerium, Hans-Eckhard Sommer, übernehmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen.
Das Bundesinnenministerium hatte am Freitagabend überraschend darüber informiert, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) Cordt von ihren Aufgaben entbunden hat. Sie hatte das Amt erst Anfang 2017 übernommen.
Das Bamf mit seiner Zentrale in Nürnberg war massiv in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass seine Bremer Außenstelle womöglich 1200 Menschen Asyl ohne die nötige Rechtsgrundlage gewährt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Auch Klagen über massive organisatorische Mängel bei der Behörde häuften sich, etwa darüber, dass völlig unzureichend ausgebildete Mitarbeiter über das Schicksal von Flüchtlingen entscheiden würden. Auf Sommer warten damit große Herausforderungen.
Seehofer kündigte „tiefgreifende Reform“ an
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte bereits vor etwa anderthalb Wochen „eine tiefgreifende Reform“ der Behörde angekündigt. Er bezog sich damals aber noch auf Organisation und Verfahren. Am Mittwoch hatte er nach Angaben des Ministeriums der Leitungsspitze des Bamf mitgeteilt, sie von ihren Aufgaben zu entbinden. Etliche Mitarbeiter der Behörden reagierten erleichtert über die Entscheidung.
Der Vorsitzende des Bamf-Gesamtpersonalrats, Rudolf Scheinost, sagte dem Bayerischen Rundfunk am Wochenende, die Entscheidung sei zu erwarten, ein Neuanfang mit Cordt schwer möglich gewesen.
Auch Vizepräsident Tiesler könnte gehen müssen
Laut „Spiegel“ soll auch der bisherige Vizepräsident der Behörde, Ralph Tiesler, ausgetauscht werden. Bamf-Vizepräsidentin Uta Dauke hatte die Behörde schon zuvor verlassen. Sie habe einen neuen, gut dotierten Posten im Bundesinnenministerium übernommen, hieß es aus der Nürnberger Zentrale.
Der Arbeitsvertrag von Rudolf Knorr, der den operativen Bereich des Bamf leitet, wurde hingegen bis Ende des Jahres verlängert. Knorr habe den Außenstellen strenge Vorgaben gemacht, wie viele Fälle sie in einer bestimmten Zeit zu bearbeiten hätten, hieß es aus dem Amt. Durch diesen Druck sei es zu Qualitätsmängeln und etlichen falschen Asyl-Bewilligungen gekommen.
2017 zog die große Mehrheit der abgelehnten Asylbewerber (91,3 Prozent), die vom Flüchtlingsbundesamt einen ablehnenden Bescheid erhalten hatten, vor Gericht. 40,8 Prozent der Verfahren endeten zugunsten der Kläger.
350.000-400.000 Fälle warten auf Klärung
Nach Angaben des Vorsitzenden des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller, haben sich bisher 350.000 bis 400.000 Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten angesammelt. „Diesen Berg abzuarbeiten wird noch Jahre dauern. Und wenn wir diese Fälle geklärt haben, werden die abgelehnten Asylbewerber mit Klagen auf Duldung und mit Asylfolgeverfahren wieder auf uns zukommen“, sagte er der „Welt am Sonntag“.
Im Krisenjahr 2015 waren rund 890.000 Flüchtlinge weitgehend unkontrolliert nach Deutschland eingereist. Das verschärfte die Überforderung der Behörde. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise lag beim Bamf ein Berg von 1,4 Millionen Anträgen.
Die heute 54-jährige Juristin Cordt löste Anfang 2017 den früheren Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise ab. Sie sollte helfen, den Berg an ausstehenden Asylentscheidungen weiter abzutragen. (dpa)