Bonn. Als Gastdozent hat Sigmar Gabriel an der Bonner Universität für Wirbel gesorgt. Viele wollten sehen, wie er den Macht-Entzug verkraftet hat.

Sigmar Gabriel hat erst ein paar Minuten gesprochen, da entrollen Studenten auf der Empore des Hörsaals 1 zwei Plakate. "Gegen Iran-Siggi" und "Für Israel" steht darauf. Sie werfen Flugblätter in den Saal und rufen: "Herr Gabriel, warum liefern Sie Waffen an die Türkei? Warum arbeiten Sie mit Putin zusammen?" Für sie ist der Mann da vorn offenbar noch immer amtierender Außenminister.

Gabriel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. "Ich hoffe, Sie kommen in mein Seminar", schmunzelt er. Eine der Protestierenden entgegnet: "Wir sind nicht zugelassen worden!" - "Dann trage ich Sie persönlich ein und hole Sie ab!", verspricht Gabriel.

Berliner Verhältnisse in Bonner Hörsaal

Vor rund einem Monat war er noch Vizekanzler und Außenminister. Jetzt wird er an der Universität Bonn als "Bundesminister des Auswärtigen a.D." angekündigt. Dennoch steht da nach eine ganze Reihe von Kameras. Berliner Verhältnisse in Bonn - dieses eine Mal noch. Denn alle wollen sehen, wie er den Macht-Entzug bisher verkraftet hat.

Protestierende halten im Hörsaal während der Antrittsvorlesung von Gabriel ein Transparent hoch.
Protestierende halten im Hörsaal während der Antrittsvorlesung von Gabriel ein Transparent hoch. © dpa | Oliver Berg

Der holzvertäfelte Hörsaal im Kurfürstlichen Schloss ist bis auf den letzten Platz gefüllt: So 350 Leute sind gekommen, nicht nur Studenten, sondern auch Senioren, die an einem Montagmittag Zeit haben. "Mich würde mal interessieren, was ein Herr Gabriel für so einen Vortrag bekommt", sagt ein ergrauter Herr in der achten Reihe. "Und ob er es als Nebentätigkeit anmeldet", ergänzt sein ebenfalls schon nicht mehr ganz studentischer Sitznachbar. Die beiden haben offenbar nicht den Bonner "General-Anzeiger" gelesen, denn dort hat Gabriel schon vor Monaten klargestellt, dass er das ehrenamtlich macht.

Viele Politiker wechselten zeitweise an Unis

Der Rektor ist froh, ihn hier zu haben, schließlich verstehe sich die Uni als Scharnier zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Viele andere Politiker sind nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn ebenfalls vorübergehend an die Uni gewechselt: Joachim Gauck, Peer Steinbrück, Joschka Fischer, um nur einige zu nennen.

Das letzte Mal, als er an der Uni Bonn gewesen sei, habe er im Hofgarten demonstriert, sagt der ehemalige SPD-Vorsitzende. Und dann, an die Studenten gerichtet: "Sie haben die Chance, erst Außenminister und dann Vorleser an der Uni zu werden, das ist die gerechte Strafe für die Jugendsünden."

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Im weiteren Verlauf wird es dann sehr seriös. Gabriel ist spürbar darum bemüht, seine Ausführungen theoretisch zu untermauern, so wie es sich gehört an einer Uni, die von Heinrich Heine, Friedrich Nietzsche und Karl Marx besucht worden ist. Er geht zurück bis zu Heinrich dem Seefahrer im 15. Jahrhundert. Er spricht über Europa, Syrien und China, er erwähnt die Krim und den Brexit. Er zitiert Dichter und Politologen, aber auch historische Staatsmänner wie Fürst Metternich und Lord Palmerston. Der ganz große Bogen. Für manchen zu groß. Hier und dort leuchten Handys unter dem Tisch auf.

Keine Sticheleien gegen Berliner Politiker

Wer auf Sticheleien gegen die Berliner Aktiven gehofft hat, wird enttäuscht: Gabriel macht ganz auf Elder Statesman. Eine Stunde redet der Dozent. Am Ende ein warmer, aber auch erleichterter Applaus. Dann geht's raus in die Mittagssonne.

Gabriel lehnt an der Bühne, um ihn herum eine Traube von Reportern. Alles wie gehabt. "Ich find es spannend", ist seine Bilanz. "Ich war ja mal Lehrer, ich hab ja mal einen anständigen Beruf gelernt früher." Eine Journalistin will noch wissen, ob man ihn demnächst auch in der Mensa treffen könne? "Warum nicht?", fragt er. "Kommt drauf an, wie das Essen da ist." (dpa)