Essen. Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Grundsteuer in den Fokus. Für Mieter, Städte und Immobilienbesitzer auch in NRW steht viel auf dem Spiel.
Für Mieter, Städte und Immobilienbesitzer steht viel auf dem Spiel: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüft seit Dienstag, ob die seit Jahrzehnten unveränderte Basis zur Erhebung der Grundsteuer verfassungskonform ist. Mit einer Entscheidung wird zwar nicht vor dem Sommer gerechnet. Dann aber drohen drastische Veränderungen. Im schlimmsten Fall wird es für Mieter und Wohneigentümer deutlich teurer. Aber auch die Städte könnten belastet werden. Ein Überblick.
Was ist die Grundsteuer?
Nach Gewerbesteuer und Einkommenssteueranteilen ist die Grundsteuer die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Die Grundsteuer A auf land- und forstwirtschaftliches Vermögen fällt dabei kaum ins Gewicht. Viel bedeutsamer ist die Grundsteuer B. Sie wird auf bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude erhoben. Bezahlt werden muss sie vom jeweiligen Eigentümer. Vermieter können die Grundsteuer vollständig an ihre Mieter weitergeben. Die Grundsteuer B ist somit fester Bestandteil der Wohnnebenkosten. Laut Mieterbundes NRW macht sie im Durchschnitt rund zehn Prozent der Nebenkosten aus.
Worum geht es in Karlsruhe?
Das Bundesverfassungsgericht stellt die Berechnungsgrundlagen der Grundsteuer auf den Prüfstand. Die Karlsruher Richter bemängelten am Dienstag, dass die so genannten Einheitswerte für Grundstücke, Häuser oder Eigentumswohnungen im Westen seit 1964 bestehen und seitdem nicht angepasst worden sind. Im Osten gilt sogar noch der Einheitswert von 1935. Zudem kritisiert Karlsruhe, dass die Finanzbehörden zwei unterschiedliche Bewertungsverfahren anwenden können, die für dasselbe Grundstück zu völlig verschiedenen Ergebnissen führen.
Was ist das Problem?
Die teils massiven Veränderungen im Gebäudebestand und auf dem Immobilienmarkt haben sich in den Einheitswerten nicht niedergeschlagen. Dadurch kommt es laut Experten zu erheblichen Verzerrungen selbst innerhalb einer Stadt. Die Richter sehen darin einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.
Was könnte auf Mieter und Eigentümer zukommen?
Der Steuerzahlerbund (BdSt) befürchtet im Fall einer reinen Anpassung der Einheitswerte an den aktuellen Verkehrswert mit einer drastischen Erhöhung der Steuer. Falls die Städte an ihren Grundsteuerhebesätzen festhielten, könne die Abgabe um das Zwei- bis Dreifache gegenüber dem heutigen Wert steigen, sagte Hans-Ulrich Liebern, Steuerexperte beim BdSt NRW, dieser Zeitung. Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher kommt für eine Beispielwohnung in der Hansestadt sogar auf eine Verzehnfachung.
Was fordern Verbände?
Der Steuerzahlerbund fordert eine aufkommensneutrale Neuberechnung. Der Gesetzgeber müsse die einheitliche Steuermesszahl für die Immobilien künftig so gestalten, dass sie nicht zu Lasten der Steuerzahler gehe. Sollte dies nicht gelingen, müssten die Städte ihre Hebesätze absenken. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte, die völlige Neubewertung von rund 35 Millionen Grundstücken wäre mit einem enormen Aufwand verbunden. Der Mieterbund NRW wünscht sich eine reine Bodensteuer, die Wohnungsmieter entlasten würde.
Was will die Politik?
Das NRW-Finanzministerium geht davon aus, dass es zu neuen Gesprächen der Bundesländer kommen wird. Ziel sei es, „eine für alle Betroffenen gerechte aufkommensneutrale Lösung“ zu finden. Die Grundsteuer sei eine wichtige Finanzquelle für die Kommunen.
Warum müssen sich Kommunen Sorgen machen?
Das Verfassungsgericht könnte der Steuer auch komplett die Grundlage entziehen. Dann könnte sie nicht weiter erhoben werden. Aus Sicht der Kommunen wäre das eine Katastrophe, weil zehn oder mehr Prozent ihrer Steuereinnahmen aus der Grundsteuer stammen. Allein in NRW gehe es um die Sicherung eines Steueraufkommens von mehr als 3,5 Milliarden Euro, teilte der Städte- und Gemeindebund NRW mit.
Warum wird dem Thema im Revier viel Aufmerksamkeit geschenkt?
Weil viele Revierbürger in den vergangenen Jahren teils drastische Grundsteuer-Erhöhungen hinnehmen mussten. Aus blanker Finanznot haben viele Revierstädte die Hebesätze, die sie selbst festlegen können, massiv erhöht und damit ihre Einnahmen deutlich verbessern können. So stiegen die Grundsteuererträge in Duisburg zwischen 2014 und 2016 um 26 Millionen Euro, in Bochum um fast zehn Millionen Euro.