Düsseldorf. . Übergriffe in Köln befeuerten die Debatte, wie offen Ausländerkriminalität beim Namen genannt wird. Der NRW-Innenminister will nichts vertuschen.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) will sich in dieser Silvesternacht einen persönlichen Eindruck vom Polizei-Einsatz machen. Oberstes Ziel: Ein Fiasko wie bei den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 verhindern. Wie Reul das in seiner ersten Silvesternacht als Innenminister sicherstellen will und was er seinen drei Töchtern rät, verriet der CDU-Politiker im Interview.

Herr Reul, sie wollen sich in der Silvesternacht persönlich ein Bild machen vom Einsatz der Polizei in NRW. Wo gehen sie hin?

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU).
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). © dpa

Ich werde zunächst in der Landesleitstelle in Duisburg sein, um mir die Gesamtplanung für das Land anzuschauen und dann nach Köln fahren. Dort werde ich in den Koordinierungsstab der Stadt und den Führungsstab der Polizei gehen - und dann natürlich auf die Straße im Bereich des Doms.

Wollen Sie dort die ganze Nacht ausharren?

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Ich bleibe natürlich bis nach Mitternacht. Ich will mich ja wirklich über den Einsatz informieren, nicht bloß vorbeischauen. Ich werde jedoch keinen Einfluss auf den Einsatz nehmen. Dafür sind die Fachleute vor Ort da - aber ich bin dabei.

In NRW wird die Polizei mit 5700 ihrer insgesamt rund 40 000 Kräfte im Einsatz sein. Aus der rot-grünen Vorgängerregierung heißt es, das sei in den Vorjahren nicht anders gewesen. Stimmt das?

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Zahlen aus den Vorjahren liegen uns nicht vor, da bisher keine landesweiten Erhebungen zur Einsatzstärke durchgeführt wurden. Richtig ist, dass auch im Vorjahr schon alle Einsatzhundertschaften am Start waren. Ich will auch gar keinen Wettbewerb um Zahlen. Der entscheidende Unterschied ist, dass wir in diesem Jahr mit unserem Silvester-Erlass erstmals einheitliche Rahmenvorgaben für den Einsatz zum Jahreswechsel gemacht haben.

In der Silvesternacht 2015/16 haben viele Frauen laut ihren Zeugenaussagen vergebens überforderte Polizisten auf der Kölner Domplatte um Hilfe gebeten. Wie wollen sie das dieses Jahr ausschließen?

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ARCHIV - Polizisten umringen am 31.12.2016 vor dem Hauptbahnhof in Köln (Nordrhein-Westfalen) eine Gruppe südländisch aussehender Männer. Foto: Henning Kaiser/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Von Tobias Blasius, Christopher Onkelbach und Philipp Neumann

Zu 100 Prozent kann ich nichts ausschließen, weil ich nicht garantieren kann, wie sich eine solche dynamische Lage im Einzelfall entwickelt. Aber wir haben alles getan, dass sich das nicht wiederholt: Es gibt zum Beispiel den klaren Auftrag, niederschwellig und konsequent einzuschreiten. An größeren Einsatzorten tragen die Polizisten zudem Leuchtwesten, damit sie besser erkennbar sind. Dort werden auch mobile Anlaufstellen eingerichtet, damit niemand, der Hilfe braucht, erst umständlich zur nächsten Wache muss. Außerdem sollen zur Bearbeitung von Sexualstraftaten besonders geschulte Kräfte bereitstehen - nach Möglichkeit auch Frauen.

In der katastrophalen Kölner Silvesternacht fühlten sich viele Opfer auch an den Notruftelefonen "abgebürstet". Wie wollen sie das verhindern?

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Wir haben alle Polizeibehörden im Land aufgefordert, die Beamten noch mal besonders zu sensibilisieren. Wer den Notruf wählt, dem muss in seiner Not geholfen werden - professionell, aber auch mit dem nötigen Einfühlungsvermögen. In vielen Leitstellen wird das Personal hochgefahren. Das ist auch eine gute Voraussetzung, dass man anders damit umgehen kann.

Wie kann die Polizei den Spagat schaffen, für maximale Sicherheit zu sorgen, ohne sich wieder dem Vorwurf auszusetzen, Ausländer heraus zu sieben und zu diskriminieren?

Diese Balance kann man nicht befehlen oder anordnen. Die muss vor Ort gefunden werden. Priorität ist, dafür zu sorgen, dass nichts passiert. Die Menschen werden sich damit abfinden müssen, dass viel Polizei da ist und es in großen Städten Absperrungen gibt. Wir können die Polizei nicht unsichtbar machen.

Ihr Erlass enthält aber keinen Passus, Ausländer besonders wachsam zu beobachten, oder?

Nein, aber wenn bestimmte Gruppen ausländischer Tatverdächtiger auffällig werden sollten, muss das klar benannt werden.

Welchen Tipp hat der Innenminister für feiernde Frauen in der Silvesternacht - eine Armeslänge Abstand halten, wie die Kölner Oberbürgermeisterin vorschlug?

Ich tue mich schwer mit "Rundum-Sorglos-Tipps". Meinen drei Töchtern würde ich sagen: Geht nach Möglichkeit nicht allein, sondern in Gruppen. Wenn es anfängt brenzlig zu werden, macht euch lautstark bemerkbar und wenn das alles nicht hilft, möglichst schnell die 110 anrufen - lieber einmal zuviel als zu wenig.

Herbert Reul ist seit Ende Juni 2017 Innenminister in NRW. Der 65-jährige Rheinländer war viele Jahre EU-Parlamentarier und machte sich zuvor als Generalsekretär der NRW-CDU einen Namen als "harter Hund". Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte Reuls Berufung ins Kabinett mit dem Satz begründet: "Ich habe eine Persönlichkeit gesucht, die große politische Erfahrung hat und die in Krisensituationen klug und besonnen reagieren kann." (dpa)