Brüssel. Nach der Ratifizierung des EU-Reformvertrages durch die 27 Mitgliedsstaaten will die EU heute auf die Besetzung der künftigen Spitzenposten entscheiden. Herman Van Rompuy gilt als Favorit für das Amt des ständigen EU-Ratspräsidenten. Der stille Belgier könnte Tony Blair schlagen.
Wer ist Herman Van Rompuy? Ganz einfach – das Gegenteil von Tony Blair. Der frühere britische Premierminister mit dem breiten Grinsen tritt auf wie der Chef eines Großkonzerns, der den Chinesen gerade 500 Golfplätze angedreht hat. Der belgische Ministerpräsident kommt daher wie der Abt eines flämischen Klosters mit gutgehender Brauerei. Blair ist der weltläufige Zampano, Van Rompuy ist die fleischgewordene Provinz. Wenn die Wetten stimmen, wird der stille Provinzler heute abend den großen Zampano abhängen. Herman „Wer?“ Van Rompuy hat beste Aussichten zu werden, was Tony Blair gern würde: erster Präsident des Europäischen Rats.
Am Mittwoch konnten die Belgier in der Zeitung De Morgen lesen, der 62jährige Christdemokrat mit dem gemütlichen Haarkranz sei die erste Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Die deutsche Regierung ist für Premier Herman Van Rompuy!“ verkündete Berlins Botschafter beim Königreich Belgien, Reinhard Bettzüge. Damit lehnte sich der Diplomat zwar ziemlich weit aus einem fremden Fenster (dem des Kanzleramts), muss deswegen aber nicht unbedingt falsch liegen. Auch Diplomaten anderer Länder bestätigen, dass der Belgier, gerade mal ein Jahr im Amt, bei den Kollegen aus den großen Ländern einen prächtigen Eindruck gemacht habe.
Merkel kommt gut mit ihm klar
Dass die protestantische Naturwissenschaftlerin Merkel am Jesuitenschüler und promovierten Ökonomen Van Rompuy Gefallen findet, ist nicht unplausibel: Der ist ebenfalls alles andere als eine politische Rampensau, dafür geschickter und zäher, als man nach der Erscheinung vermuten würde. In der Chefrunde der EU-Oberen, um deren Vorsitz es geht, hat er weder Zeit gehabt, sich Gegner zu machen, noch Gelegenheit genommen, der Kanzlerin auf die Nerven zu gehen. Und wie bei dieser gilt: Das stille Wasser gründet tief. In seiner Freizeit bastelt er Haikus, japanische Kurz-Gedichte aus exakt 17 Silben. Zum Beispiel über eine Fliege, „die summt, abdreht und im Raum verschwindet – tut keinem was zuleide.“
Da sind sich Kenner bei Van Rompuy nicht so sicher. „Der erledigt seine Rivalen, ohne Spuren zu hinterlassen“, meint ein Parteifreund in der französischen Zeitung Le Monde. So geschehen mit dem unglückseligen Vorgänger Yves Leterme, den Van Rompuy beerbte, ohne sich ein einziges Mal bei Interesse am Amt erwischen zu lassen. Das ist ihm auch diesmal nicht passiert, womit er zuletzt Blair und andere bekanntere Namen (Juncker, Schüssel) hinter sich lassen konnte. Für ihn spricht wirtschaftlicher Sachverstand, Verhandlungstalent, pro-europäische Grundeinstellung und die bei Belgiern übliche Sprachgewandtheit (Französisch, Niederländisch, Deutsch, Englisch). Vor allem aber entspricht Herman Van Rompuy perfekt dem Bild des Chef-Sekretärs und Managers, das sich immer mehr als dominierende Vorstellung der Regierungen vom Profil des neuen Jobs herausgestellt hat. Von wegen „Präsident“ - lieber kleines Karo als große Klappe.
Nicht alle finden das gut. „Bloß keinen blassen Moderatoren!“, seufzt der Europa-Abgeordnete Manfred Weber, Fraktions-Vize bei den Christdemokraten. Da könnte er Pech haben.