Berlin. Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf. Die Spitzenkandidaten liefern sich einen Schlagabtausch über eine Quote für Elektroautos. Ein Überblick.
SPD-Chef Martin Schulz will eine EU-weite Quote für Elektroautos, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist dagegen. So scharfkantig hatte sich ihr Herausforderer von Anfang an den Wahlkampf gewünscht. Dabei hatten bis auf die Grünen alle Parteien das Thema Automobil nicht wirklich auf der Rechnung – bis der Abgasskandal kam. Seither verbietet es sich, eine Umleitung zu nehmen. Nimmt der Wahlkampf Fahrt auf? Die Parteien und ihre Positionen zum liebsten Spielzeug der Deutschen.
Angela Merkel nennt keine Alternativen
Merkel hat schon einmal einen Störfall zum Anlass genommen, eine ganze Technologie abzuschreiben: Die Atomkraft nach dem GAU im japanischen Fukushima.
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machte sie am Samstag allerdings klar, dass sie beim Verbrennungsmotor nicht daran denkt, erneut das Steuer hart herumzureißen.
Sie glaube nicht daran, dass der Schulz-Plan „schon genau durchdacht“ sei. Sie hat einen doppelten Einwand: Merkel befürchtet, dass die EU sehr lange über die Details verhandeln würde. Außerdem fragt sie, was zu tun sei, wenn die Quote nicht eingehalten würde.
Die Marktakzeptanz ist ein wichtiger Punkt: Wagen, die keiner haben will oder bezahlen kann, landen auf der Halde. Merkels Manko ist, dass sie zwar Bedenken, aber keine Alternativen zu Schulz formuliert. Im Programm der CDU nimmt der Verkehr nur zwei von fast 80 Seiten ein, und die einzige konkrete Zahl zur Elektromobilität dort ist die Zielmarke von 50.000 Ladesäulen in ganz Deutschland. Ein Datum nennen die Christdemokraten nicht.
„Abzulehnen, ohne Alternativen zu benennen, zeigt, dass eine Konzeption fehlt und wir isoliert werden“, kritisierte auch Wirtschaftsministerin
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(SPD). Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sieht in Merkels Rede den „netten Versuch, sich von eigener Mitverantwortung für die Dieselaffäre reinzuwaschen“. In ihrer Amtszeit habe sie „die Autoindustrie schalten und walten lassen, wie es ihr gefiel“.
Die Partei der Kanzlerin war schon mal leidenschaftlicher beim Thema Elektromobilität. Vor acht Jahren kündigte die CDU in ihrem damaligen Programm an, „die Elektromobilität bietet zusammen mit anderen zukunftsweisenden Antriebstechnologien große Potenziale zur Verringerung der Abhängigkeit vom Öl und zur Reduktion von CO2-Emissionen.“ Man wolle „auch die besten Elektroautos herstellen“.
Bis heute strebt die von Union und SPD geführte Bundesregierung als Ziel eine Million E-Fahrzeuge bis 2020 an. Allerdings: Zum 1. Januar 2017 fuhren gerade mal 34.022 Elektroautos auf deutschen Straßen.
Martin Schulz geht auf die Überholspur
Die SPD will den Autoherstellern zunächst nicht viel zumuten. In ihrem Programm kündigte sie einen Zeitplan an, „um Mobilität in Deutschland bis 2050 digital, schadstofffrei, barrierefrei und sicher zu gestalten“. Im Klartext: Die SPD gibt dem Verbrennungsmotor noch 32 Jahre Restlaufzeit.
Doch Ende der vergangenen Woche erhöhte Schulz mit einem Fünf-Punkte-Plan den Druck auf die Autobauer: Selbst High-Tech-Diesel seien nur eine „Brückentechnologie“, heißt es nun.
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sich auf diesem Markt eine gute Position zu sichern.
Und schon mit Blick auf die Arbeitsplätze und den Technologiestandort Deutschland forderte der SPD-Chef Investitionen in eine eigene Batterie und Zellproduktion. Einen Zeitpunkt oder eine konkrete Quote nennt der Kanzlerkandidat allerdings nicht. Der Hauptadressat ist formal die EU; sie müsste die Quote einführen. Aber angesprochen fühlte sich auch die Kanzlerin – und sie geht auf „Crashkurs“ zu Schulz.
Die Poleposition der Grünen
„Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos neu zugelassen werden“, heißt es im Programm der Grünen. Dann sei das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren „zu Ende“, verkündet die Partei kategorisch.
Verkehrspolitik nimmt in der Programmatik der Grünen traditionell einen breiten Raum ein, diese Poleposition gilt es im Wahlkampf zu verteidigen. Zuletzt legte die Partei einen „Zukunftsplan für das emissionsfreie Auto“ vor, in dem sie unter anderem für ältere Dieselfahrzeuge der Euro-5-Norm „eine zeitlich befristete Umstellungsprämie“ fordert. Genau das setzt die Industrie um.
Für Grünen-Chef Cem Özdemir ist der Abgasskandal „der Fukushima-Moment der Autoindustrie“ – aber wohl kaum für seinen Parteifreund Winfried Kretschmann. Der ist Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wo die Autokonzerne Daimler und Porsche und Zulieferer wie Bosch oder ZF beheimatet sind.
Ende Juni sorgte ein heimlich gefilmtes Video für Irritationen. Darin bezeichnet Kretschmann die Frist seiner Partei – also 2030 – als „Schwachsinn“. Originalton Kretschmann: „Überleg dir mal, es fahren fünf Millionen Elektroautos rum ... Wo tanken die? ... Wie soll das funktionieren? Erklären Sie mir mal, wie Sie das machen zu diesem Termin.“ Klar ist: Zumindest für Kretschmann ist der Verbrennungsmotor – gerade auch der Diesel – eine Brückentechnologie.
FDP-Chef Christian Lindner nicht elektrisiert
Den Schulz-Vorschlag erklärte die FDP zur „Planwirtschaft“. Das ist in der Gedankenwelt der Liberalen der ultimative Vorwurf. Systemfragen der Mobilität können nach Ansicht von Parteichef Christian Lindner „nicht am Reißbrett entschieden werden“. Er will weder eine Quote noch die Zukunft des Individualverkehrs auf eine einzige Antriebsart fokussieren.
„Alternative Antriebe wie die Brennstoffzelle, aber auch synthetische Kraftstoffe bieten ebenso große Chancen für eine emissionsärmere Mobilität“, glaubt er. Deutschland brauche „eine Offenheit für Innovationen aller Art“ heißt es denn auch in einer „Zukunftsstrategie Auto“, die Lindners Partei Anfang August schnell nachreichte.
Im Wahlprogramm der FDP kommt das Kraftfahrzeug mit E-Antrieb nicht vor, eine Gemeinsamkeit, die die Liberalen mit Linken und AfD teilen. AfD und FDP gehen auch nicht auf
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ein – anders etwa die Linke, die mit den Herstellern scharf ins Gericht geht und sogar fordert, die involvierten Automanager sollten mit ihrem Privatvermögen haften.