Essen. . Die Kosten für Müll und Abwasser entwickeln sich in den Kommunen des Landes völlig unterschiedlich. Steuerzahlerbund beklagt „Geheimniskrämerei“.

Die Abwassergebühren in Nordrhein-Westfalen sind im Durchschnitt erneut gestiegen – wenn auch nicht überall. Umgekehrt gingen die Kosten für die Abfallbeseitigung erstmals seit Jahren leicht zurück. Aber auch beim Müll ergibt sich ein höchst uneinheitliches Bild. Ist der Dschungel der Gebühren, die einen entscheidenden Anteil an den immer weiter steigenden Wohnkosten haben, überhaupt noch zu durchschauen?

Wer auf die am Donnerstag veröffentlichte neuen Gebührentabelle des Steuerzahlerbundes blickt, kann jedenfalls schnell den Überblick verlieren. Denn die Gebühren-Welt in NRW kennzeichnet vor allem eins: größtmögliche kommunale Unterschiede.

Unterschiede von bis zu 1000 Euro im Jahr

Beispiel Müll: Die Entsorgung einer 120-Liter-Restmülltonne im 14-Tage-Rhythmus kostet in der preiswertesten Kommune Dahlem im Kreis Euskirchen nur 132 Euro im Jahr. In Münster sind es mehr als vier mal soviel, nämlich 564 Euro.

Noch krasser fällt die Preisspanne beim Abwasser aus. In der teuersten NRW-Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid (Rhein-Sieg-Kreis) liegen die Abwasserkosten für den Vier-Personen-Musterhaushalt mit 200 Kubikmeter Frischwasserverbrauch bei rund 1290 Euro jährlich. Ganz am anderen Ende der Skala verlangt Reken im münsterländischen Kreis Borken nur 246,50 Euro.

Im Ruhrgebiet kreisen die Gebühren zwar deutlich näher um den Landesdurchschnitt von 265 Euro (Müll) beziehungsweise 724 Euro (Abwasser). Doch auch im Revier sind große Abstände zwischen eng benachbarten Kommunen mit ähnlicher Bevölkerungs- und Infrastruktur nicht von der Hand zu weisen (siehe Tabellen).

Verbrennungsentgelte sind entscheidender Faktor

Warum das so ist? Selbst der Steuerzahlerbund (BdSt) blickt nicht mehr vollends durch, wie die teils extremen Gebührensprünge bei Abfall und Müll zustandekommen. Das lukrative Müllgeschäft werde teils als „geheime Kommandosache“ betrieben, klagt denn auch Verbandsvorsitzender Heinz Wirz. „Wer glaubt, man müsse nur bei den Städten und Kreisen nachfragen, wie viel sie für eine Gewichtstonne Müll zahlen müssen, ist schief gewickelt“, so Wirz.

Müllgebühren setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Entscheidend sind die Verbrennungsentgelte, also das, was die Städte und Kreise an die Müllverbrennungsanlagen bezahlen müssen. Unter Verweis auf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse rückten viele Kommunen mit den Preisen nur zögerlich heraus, so Wirz. 18 Städte und Kreise hätten gar nicht auf die Anfrage des Steuerzahlerbundes geantwortet. Keine Angaben gibt es etwa aus Bottrop, Dortmund und Essen.

Wirz: „Diese Geheimniskrämerei ist nicht nachvollziehbar.“ Die Verbrennungsentgelte seien ein Hauptbestandteil der Entsorgungsgebühr. Jeder Verbraucher, der seine Gebühr überprüfen möchte, müsse wissen, wie sich der Betrag zusammensetzt. Wirz: „Das kann er nicht, wenn das Verbrennungsentgelt unbekannt ist.“ Unterschiedliche Entsorgungszyklen und Gefäßgrößen erschwerten den Gebührenvergleich beim Müll zusätzlich.

Beim Abwasser verteuern laut Steuerzahlerbund ganz legale Buchungs- und Abschreibungsstricks die Entsorgungsgebühren. „In der Abwasserentsorgung verdienen die Kommunen Geld, um ihre Haushalte auszugleichen“, bemängelt Wirz. Es könne kein Zufall sein, dass sich ausgerechnet besonders viele Kommunen aus dem NRW-Hilfsprogramm „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ unter den Gebühren-Spitzenreitern fänden.

Legale Buchungstricks

Hintergrund: Bei den Abwassergebühren sind die Abschreibungen auf das Kanalnetz und die so genannten kalkulatorischen Zinsen Haupttreiber der Gebührenbedarfsberechnung. Dieser Kostenblock kann bis zu zwei Drittel des Gebührensatzes ausmachen.

Schon seit Langem fordert der BdSt, die Verzinsung ihres Kanalnetzes an die Realität anzupassen. Bis zu 6,5 Prozent dürfen die Städte 2017 berücksichtigen. Städte im Stärkungspakt, darunter viele Revier-Kommunen, würden vom Land sogar gedrängt, den Rahmen voll auszuschöpfen. Die Bürger erhielten auf Sparguthaben aber kaum Zinsen. „Das Geld streichen die Kommunen als reinen Gewinn ein“, so Wirz. „Das ist eine versteckte Steuer.“