Trump-Sprecher hat die Nase voll – Sean Spicer tritt zurück
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Washington. Bis zur Selbstverleugnung stellte sich Sean Spicer hinter die Peinlichkeiten und Provokationen von Donald Trump. Jetzt wirft er hin.
Das Martyrium, der Nation täglich einen in jeder Hinsicht unberechenbaren Chef zu erklären, ihn in Schutz zu nehmen und einen positiv-staatsmännischen Spin für jede auch noch so erratische Äußerung zu finden, begann für Sean Spicer direkt nach der Amtseinführung von Donald Trump.
Der Präsident hatte sich Besucherzahlen für die Vereidigungsfeierlichkeiten zusammengelogen, die selbst Kabarettisten sprachlos machten. Ganz Fernseh-Amerika sah, dass es anders war. Spicer, ein kleiner, rundlicher, im Grunde gemütlicher Mann, hielt bei einer seiner ersten Regierungspressekonferenzen im Keller des Weißen Hauses tapfer dagegen.
Spicer erholte sich nicht von verkorksten Amtsantritt
Bis zur Selbstverleugnung deckte der 45-jährige Familienvater aus Rhode Island seinen Boss, bürstete die irritierten Korrespondenten barsch ab, denen er vorher versprach: „Unsere Absicht ist niemals, Sie zu belügen“, und redete sich um Kopf und Kragen. „Das war die größte Zuschauerzahl, die jemals einer Amtseinführung beigewohnt hat. Punkt.“ Autoritärer Pjöngjang-Stil in Washington. Hallo?
Von dem verkorksten Auftakt hat sich Spicer nie erholt. Was folgte, war eine
, teils selbst verschuldet, meist Trump-getrieben, die Studiengänge für Journalismus und Kommunikation auf Jahre beschäftigen wird.
Am Freitag hat Sean Spicer sein Leiden beendet.
Das Maß war voll
Weil Donald Trump den dubios beleumundeten Wall Street-Finanzier Anthony Scaramucci zum neuen Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses ernannt hat – für Spicer laut „New York Times“ ein „großer Fehler“ – nahm der Regierungssprecher verärgert den Hut. Das Maß war voll.
Sein Rücktritt ist symptomatisch für die Zerrüttung im engsten Kreis um Trump. Überraschend kommt er nicht. Der sich und andere vor allem an Telegenität messende Präsident war mit der Performance des militärisch gescheitelten Neuengländers von Beginn an unzufrieden.
Trump-Sprecher blieb immer loyal
Schon nach vier Wochen lud Trump zu einer eigenen Pressekonferenz ein, um sein Image zu polieren. „Ich schalte den Fernseher an, ich schlage die Zeitungen auf, und ich sehe Geschichten über Chaos“, beschwerte er sich vor den Journalisten indirekt über Spicers Leistungen. „Was für ein Chaos? Diese Regierung läuft wie eine fein abgestimmte Maschine.“ Spicer soll hinter den Kulissen der Kinnladen heruntergefallen sein. Trotzdem blieb er loyal.
Dabei kam der frühere Sprecher der republikanischen Partei oft wie ein bissiger Pitbull herüber, wenn er nickelige Fragen von Reportern zu beantworten hatte. Wo andere Sprecher ein Zahnpasta-Lächeln einsetzen, war bei Spicer meist nur ein dünner, blutleerer Strich zu sehen.
Top-Zirkel enthielten Spicer Informationen vor
Dass Spicer mit Worthülsen agierte oder Sätzen, die mit Dazu-kann-ich-nichts-sagen anfingen, lag aber nicht an ihm. Sondern an den Top-Zirkeln im Oval Office, die ihn regelmäßig verhungern ließen, anstatt den ersten Öffentlichkeitsarbeiter des Staates mit ordentlichen Informationen zu füttern.
Mit der Zeit wurde Sean Spicer immer rauflustiger und unleidlicher. Und dabei unfreiwillig komisch. So komisch, dass die führende TV-Comedy-Show „Saturday Night Live“ sich seiner annahm. Was die Hollywood-Schauspielerin
in ihrer großartigen Persiflage aus „Spicy“ machte, sorgte für Lachtränen beim Publikum. Trump dagegen hat bis heute nicht verwunden, dass ausgerechnet eine Frau seinen Sprecher verhohnepiepelt.
Unglücklicher Vergleich zwischen Hitler und Assad
Spicer hielt trotzdem zum Präsidenten. Als der seinen Vorgänger Obama ohne Beweis illegaler Überwachungsmethoden beschuldigte und dafür selbst unter Republikanern nur Kopfschütteln erntete, stützte sich Spicer trotzig auf einen anderslautenden Bericht des Trump-freundlichen Senders Fox News, der sich wenig später als Lügengeschichte entpuppte.
Dem Marineoffizier der Reserve unterliefen immer mehr Fehler, die in seinem täglich von Tausenden Medienvertretern unters Mikroskop genommenem Metier tödlich sind. Etwa der Vergleich des syrischen Präsidenten Assad mit Adolf Hitler. Nicht einmal „ein Mann von der Verachtenswertigkeit eines Adolf Hitler ist dazu herabgesunken, chemische Waffen einzusetzen“, sagte er. Zusatz: Schon gar nicht gegen das eigene Volk – wie Assad.
Makel blieb an Spicer hängen
Spicer verschlimmbesserte seine historisch kontaminierten Äußerungen mehrfach und sprach am Ende von Menschen, die Hitler in „Holocaust-Zentren“ umbringen ließ (gemeint waren Konzentrationslager). Den Makel des überforderten Dampfplauderers wurde er nicht mehr los.
Als Konsequenz musste der leidenschaftliche Base- und Football-Fan sich tagelang Spekulationen gefallen lassen, dass nach einem Nachfolger für ihn gesucht würde. Spicers Laune entwickelte sich entsprechend. Mittlerweile steht seine Nachfolgerin fest: Ab September übernimmt Spicers bisherige Stellvertreterin Sarah Sanders seinen Posten. Das kündigte der neue Kommunikationsdirektor von Präsident Donald Trump, Anthony Scaramucci, am Freitag in Washington an.
Als Pressesprecher wurde ihm Nutzlosigkeit attestiert
Als er das Nichtbeantworten von Fragen aller Art auf die Spitze trieb, fuhr CNN-Starreporter Jim Acosta aus der Haut. „Der Pressesprecher kommt an einen Punkt, wo er regelrecht nutzlos ist.“ Spicer lenkte aber nicht ein. Ein von ihm von Fall zu Fall verhängtes Kameraverbot bei den täglichen Presse-Briefings im Weißen Haus wurde ihm als Zensur ausgelegt.
Nicht mehr nutzen
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Die Presseabteilung konterte inoffiziell, man sei es leid, jeden Tag in den sozialen Netzwerken mit unvorteilhaft zusammengeschnittenen Videos zum Gespött gemacht zu werden. Die Sammelwerke der gröbsten Schnitzer Spicers sind in der Tat beachtlich groß.
Spicer zog sich zuletzt zurück
Zuletzt machte sich Sean Spicer an der vordersten Front immer rarer und ließ der nicht weniger rabiaten Vize-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders notgedrungen den Vortritt. Aber auch das ließ sein Ansehen beim herrisch-mürrischen Commander-in-Chief nicht mehr steigen. Als Trump bei Papst Franziskus im Mai zur Privat-Audienz empfangen wurde, durfte sogar Trumps Leibwächter Keith Schiller mit in den Vatikan. Der praktizierende Katholik Spicer musste draußen bleiben. Himmel, was für eine Demütigung.
Trotzdem verabschiedete sich Spicer am Freitag mit Wattebäuschen und Pathos: „Es war eine Ehre, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, sowie diesem wunderbaren Land zu dienen.“
Steht nächstes Trump-Opfer schon fest?
Mit Spicers Abgang könnte eine Reihe von Neubesetzungen beginnen, mit denen Präsident Trump die Kehrtwende in seiner verkorksten Präsidentschaft versuchen will. Nächstes potenzielles Opfer: Stabschef Reince Priebus. Für den hat der neue Kommunikationsdirektor Scaramucci einen abfälligen Spitznamen, der hier nicht genannt werden kann.
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