Essen. 2021 soll die neue Bundesautobahngesellschaft an den Start gehen. In NRW werden erhebliche Folgen für den Landesbetrieb Straßen NRW befürchtet.
- Ab 2021 soll eine Bundesgesellschaft Bau, Planung und Betrieb von Autobahnen bündeln
- Formal verliert das Land die Planungshoheit für Autobahnen.
- Privatisierungen von Autobahnen sind aber strikt ausgeschlossen
Staugeplagte Autofahrer dürften es mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen: Ausgerechnet dem als Autobahnsanierer derzeit besonders geforderten Landesbetrieb „Straßen NRW“ steht der größte interne Umbau seiner Geschichte bevor. Experten fürchten, dass die Behörde infolge der Aufgabenverschiebung im Fernstraßenbau vom Land zum Bund jahrelang vornehmlich mit sich selber beschäftigt sein wird. Ein Überblick.
Die Ausgangslage
NRW ist das Verkehrsland Nummer eins in Deutschland. Gemessen am Bundesdurchschnitt rollen hier doppelt so viel Autos und Laster über die Fernstraßen. Für Pflege, Bau und Sanierung zuständig ist „Straßen NRW“. Die größte Straßenbaubehörde in Deutschland betreut das 2200 Kilometer lange nordrhein-westfälische Autobahnnetz, rund 4500 Kilometer Bundes- und 13 000 Kilometer Landesstraßen sowie rund 13 000 Brücken- und Tunnelbauwerke. 2016 konnte die Behörde über ein Rekordbudget von über einer Milliarde Euro verfügen. „Straßen NRW“ spielt damit in einer Liga mit der nationalen österreichischen Fernstraßen-Gesellschaft Asfinag. Diesen Vergleich ziehen vor allem Kritiker, die eine deutsche Mammutbehörde im Fernstraßenwesen ablehnen.
Wie sich Berlin durchsetzte
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Schon lange wollte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Zuständigkeit für die Autobahnen beim Bund bündeln. Dobrindt schwebte eine zentrale Bundesautobahngesellschaft vor, die auch privates Kapital anlocken sollte. Zentrales Argument war aber stets, dass eine nationale Steuerung im Fernstraßenbau effizienter sei. Bislang sind Planung, Bau und Betrieb der Fernstraßen Ländersache mit Verfassungsrang. Die Bundesländer hatten sich lange gegen den drohenden Kompetenzverlust gewehrt. Doch im Zuge der Reform der Bund-Länderfinanzbeziehungen – ein Milliardengeschäft zu Gunsten der Länder – gaben sie im Frühjahr zähneknirschend dem Drängen Berlins nach.
Was nun passiert
Der Weg zur Gründung einer Autobahngesellschaft des Bundes ist seit Mitte Mai endgültig frei. Sie soll ab 2021 Bau, Planung und Betrieb der Autobahnen und zumindest eines Teils der Bundesstraßen bündeln. Union und SPD hatten sich zuvor über letzte strittige Punkte zur geplanten Autobahngesellschaft des Bundes verständigt.
Anders als von Minister Dobrindt beabsichtigt, sind Privatisierungen von Autobahnen jetzt strikt ausgeschlossen. Bauprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) sind nur bis zu einer Länge von 100 Kilometern erlaubt. Mit diesen Forderungen hatte sich vor allem die SPD durchgesetzt. „Privatisierungsbremsen“ sollen verfassungsrechtlich verankert werden. Finanziert wird die neue Autobahngesellschaft über Mauteinnahmen.
Die Auswirkungen in NRW
Die Arbeit des Landesbetriebs „Straßen NRW“ wird nicht plötzlich eingestellt und nach Berlin verlagert. Das operative Geschäft – Bau, Planung und Bürgerbeteiligungsverfahren – dürfte weiterhin vor Ort, also in den Ländern, bleiben. Formal verlieren die Länder aber die Planungshoheit für die Autobahnen. Für „Straßen NRW“ bedeutet das den Verlust eines zentralen Geschäftsbereichs. Sollte auch das Bundesstraßennetz aus der NRW-Verantwortung herausgelöst werden, droht die Zerschlagung der ganzen Behörde. Die Länder haben hier Wahlfreiheit.
Verdi-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Pieper bezweifelt, dass sich ein nur noch für die Land- und Kreisstraßen zuständiger Landesbetrieb wirtschaftlich überhaupt trägt. Landstraßen könnten dann Sache der Kommunen werden. Pieper erwartet von der neuen NRW-Landesregierung daher „ein klares Bekenntnis, dass die Bundesstraßen in der Verantwortung der Länder bleiben“ und fordert tarifvertragliche Vereinbarungen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung. CDU und FDP als künftige Düsseldorfer Regierungspartner haben sich zum Verbleib der Bundesstraßen bislang nicht öffentlich positioniert.
Folgen für die Mitarbeiter
Den Länder-Beschäftigten wurden per Kabinettsbeschluss weitreichende Besitzstandsgarantien in Aussicht gestellt. Zwangsversetzungen soll es nicht geben. Außerdem sind speziell Straßenbau- und Planungsingenieure Mangelware auf dem Arbeitsmarkt. Der Aufgabenstau im Straßenbau liegt gerade im dramatischen Fachkräftemangel der Branche begründet. Das macht die Situation für die Fachkräfte eher komfortabel.
Was aus den Standorten wird
Die Organisationsstruktur der neuen Super-Behörde liegt nur in groben Umrissen fest. Sitz soll dem Vernehmen nach Berlin werden. Hoffnungen, die neue Gesellschaft könne in NRW angesiedelt werden, hätten sich damit zerschlagen. Die Bundes-GmbH soll bis zu zehn Regionalgesellschaften führen. Was das konkret für NRW bedeutet, ist unklar. „Straßen NRW“ hat seine Zentrale in Gelsenkirchen, verfügt aber auch über zwei spezielle Autobahnniederlassungen in Hamm und Krefeld.