"Völlig daneben" findet der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) den Boykott des Berliner Gipfels.In seinem Bezirk leben 30 Prozent Ausländer. Eine multiethnische Gesellschaft, sagt er, brauche feste Regeln

Berlin. Der Berliner Bezirk Neukölln ist eine Art deutsche Integrationswerkstatt. Ein Drittel der Einwohner sind Ausländer, außerdem hat Neukölln mit 32,1 Prozent den höchsten Anteil an Hartz-IV-Empfängern in Deutschland (zum Vergleich: Dortmund hat 18,4 Prozent). Die Arbeitslosenquote beträgt 24,2 Prozent, jeder zweite ALG-II-Empfänger ist unter 25.

Anlass genug, Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zum Integrationsgipfel zu seinen Vorstellungen zu befragen. Eine multiethnische Gesellschaft (in Neukölln wohnen 163 Nationalitäten) "braucht klare, feste Regeln, die für alle gelten und die eine demokratische Gesellschaft auch selbstbewusst durchsetzen muss", sagt der SPD-Politiker. Gerade bei letzterem seien wir in Deutschland zu defensiv, "wir haben keinen Erkenntnismangel, sondern ein Handlungsdefizit", dem hoffentlich jetzt der Integrationsplan der Regierung abhelfe.

Die Politik erkenne endlich die Folgen mangelnder Integration an, die man lange geleugnet habe. "In Deutschland leben 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, und möglichst viele von ihnen zu integrieren, ist eine Existenzfrage unseres Landes. Da kann es kein Vertun geben." Die Absage türkischer Verbände für den Integrationsgipfel sei "völlig daneben". Der Bundestag habe ein Gesetz beschlossen, das nun für alle gelte. "Es zeugt schon von einem gestörten Demokratie- und Staatsverständnis, Dialogbereitschaft mit Erpressung zu verknüpfen", kritisierte Buschkowsky. "Normen werden durch das Parlament gesetzt und nicht durch Verbände, die ihre Existenzberechtigung aus der Betonung des Trennenden ableiten."

Über das Erfordernis von wenigstens rudimentären Sprachkenntnissen bei der Einwanderung könne man nicht wirklich streiten. Buschkowsky betonte, er erlebe auch in Neukölln vielfach gelungene Integrationskarrieren. Der Anteil von nicht-integrierten Migranten liegt nach seiner Einschätzung etwa bei einem Viertel. "Das ist noch viel zu viel". Er sei sich einig mit dem grünen Europaabgeordneten Cem Özdemir, der meint, dass der Staat die Erziehung der Kinder notfalls auch gegen die Eltern prägen müsse. So dürften moslemische Kinder nicht mehr vom Schwimmunterricht oder von Klassenausflügen befreit werden oder der Schulbesuch eine unverbindliche Empfehlung sein. Andererseits müsse die Gesellschaft auch mehr in die Bildung investieren. Leistungen wie Kindergeld müssten stärker an Gegenleistungen gebunden werden, und Multikulti-Rabatte behinderten die Integration. Das diskutierte Betreuungsgeld sei grundfalsch, weil es Kinder zur Einkommensquelle mache und noch mehr die Adaption von Transferleistungen als alleinige Existenzgrundlage fördere.