Düsseldorf. . Der rot-grüne Vorstoß in NRW, Nicht-EU-Ausländern das Kommunalwahlrecht zu gewähren, wird von der Türkei-Debatte überschattet – und scheitert.
Innertürkische Konflikte dürften nicht nach Nordrhein-Westfalen getragen werden, hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zuletzt immer wieder betont. Am Mittwoch jedoch rückte der Umgang mit der Türkei, Regierungschef Erdogan und seinen an Rhein und Ruhr lebenden Staatsbürgern geradewegs ins Zentrum einer Landtagsdebatte.
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen scheiterten mit den Versuch, in der Landesverfassung ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer zu verankern. Beiden fehlte vorhersehbar die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Dennoch hielt es SPD-Fraktionsvize Hans-Willi Körfges für eine gute Idee, gerade jetzt das seit 1989 im Landtag immer mal wieder diskutierte Thema neu aufzurufen. Man dürfe sich von „Herrn Erdogan nicht vorschreiben lassen, wann ein richtiger Zeitpunkt ist“. Im Übrigen verwahrte sich Körfges gegen den „ekelhaften Versuch, das Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer auf ein Türken-Wahlrecht zu reduzieren“.
Laschet: „Sind Sie noch zu retten?“
Mehr als 500 000 Türken in NRW stellen jedoch die mit weitem Abstand größte Bevölkerungsgruppe der Nicht-EU-Ausländer. Im Gegensatz zu den rund 350 000 EU-Bürgern aus Polen und Italien, die an Rhein und Ruhr leben, dürfen sie bis heute nicht an Wahlen auf kommunaler Ebene teilnehmen.
Dass SPD und Grüne dies ausgerechnet in einer Phase ändern wollten, in der viele Türken bei NRW-Auftritten der Regierungsmannschaft von Staatspräsident Erdogan zujubeln und sich Deutschland aus Ankara als Neuauflage des Nationalsozialismus beschimpfen lassen muss, mag CDU-Landeschef Armin Laschet nicht begreifen: „Was ist das für ein Signal? Sind Sie noch zu retten?“
CDU fürchtet Migrantenparteien in den Stadträten
NRW werde künftig „in jedem Stadtrat Herrn Erdogan sitzen haben“, warnte Laschet. Die „Union Europäischer Türkischer Demokraten (UETD)“ als deutscher Ableger der Erdogan-Partei AKP sei bestens organisiert und könne bei einer 2,5-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen leicht ausreichend Türken an die Wahlurnen bringen.
Vielmehr müsse man Menschen, die seit Jahrzehnten hier lebten, für die Einbürgerung gewinnen. Das Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer sei integrationsfeindlich: „Wer Rechte hat, muss auch Pflichten haben“, sagte Laschet.
Rot-Grün verteidigt seinen Vorstoß
Grünen-Experte Arif Ünal kritisierte, dass Türken in NRW pauschal zu Erdogan-Anhängern gemacht würden. Viele wollten bloß aus emotionalen Gründen den türkischen Pass nicht abgeben und vermissten eine großzügigere Regelung zur doppelten Staatsbürgerschaft.
Auch Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) warf Laschet falsche Schlüsse vor: „Wenn Sie glauben, dass Türken hier weniger auf Erdogan hören, wenn man sie nicht einlädt zum Mitmachen, dann irren Sie.“
Kursschwenk bei der NRW-FDP
Lange hatte Rot-Grün gehofft, die FDP für eine Verfassungsänderung gewinnen zu können. Die Liberalen hatten sich immer mal wieder offen gezeigt für ein Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Ausländer, wenngleich sie dafür eine Grundgesetzänderung für erforderlich hielten.
Im Zuge der Flüchtlingskrise und wohl auch im Lichte der Erdogan-Debatte hat Parteichef Christian Lindner jedoch einen Kurswechsel vollzogen. Dem Land drohe „ein Kulturkampf“. Das Wahlrecht dürfe da nicht als Instrument der Integration missbraucht werden. Staatsbürgerschaft und Wahlrecht müssten vielmehr die „Krönung“ einer gelungenen Integration sein.