Düsseldorf. Rätselraten um Rainer Wendts Freistellung: NRW-Innenminister Jägervermutet mündliche Absprachen der Vorgängerregierung.

Dieser Rechercheauftrag dürfte in die Geschichte des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) in Selm eingehen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat die Landesoberbehörde der Polizei mit der hausinternen Ermittlung des Falls Rainer Wendt beauftragt. Angeblich ist anders nicht herauszufinden, warum der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) seit 2006 nicht mehr zum Dienst erschien. Warum er dennoch Beamtensold erhielt. Warum er 2010 sogar in Abwesenheit zum Hauptkommissar befördert wurde. Warum er ohne Genehmigung jährliche Nebeneinkünfte in Aufsichtsgremien über mehr als 77 000 Euro erzielte.

Es habe sich wohl etwas „in der Verwaltungspraxis verselbstständigt“, mutmaßte Jäger. Wer die Vermerk- und Protokoll-Freude von Ministerialbeamten kennt, wundert sich über die Erkenntnislücken. Nun sollen ehemalige Vorgesetzte des heute 60-jährigen Gewerkschafters befragt werden; ein Dienststellenleiter sei leider schon verstorben. Jäger macht die Vorgängerregierung dafür verantwortlich, dass Wendt bis zu seinem Antrag auf vorzeitige Pensionierung vor zehn Tagen als Hauptkommissar ohne Dienstpflichten durch die Talkshows, Gewerkschaftsstuben und Gremien ziehen konnte.

In Wendts Personalakte habe sich „kein einziger Hinweis auf eine fortlaufende vollständige Freistellung befunden“, versicherte Jäger. Er selbst habe erstmals am 24. Februar Kenntnis über Wendts spezielles Arbeitsverhältnis in seinem Zuständigkeitsbereich erhalten. „Gehobene Personalien fallen nicht in die Zuständigkeit des Ministeriums“, erklärte sein Staatssekretär Bernhard Nebe.

Jäger verwies auf Absprachen mit Wendt unter seinem Amtsvorgänger Ingo Wolf (FDP), die „ganz offensichtlich mündlich getroffen worden sind“. Demnach gab es während Wendts Zeit im Duisburger Polizeipräsidium 2006 Ärger, weil er es mit seinem gewerkschaftlichen Engagement übertrieb und seine Teilzeit-Stelle von 28,5 Wochenstunden kaum mehr ausfüllte. Er wurde ins Polizeipräsidium Mönchengladbach versetzt. Von diesem Zeitpunkt an spreche manches dafür, so Nebe, „dass er weitgehend bis weitestgehend keinen Dienst mehr ausgeübt hat.“

Grüne geißeln Enthemmungvon „Klüngel-Deals“

Warum Wendt trotzdem im Januar 2010 in die Pressestelle des Landesamtes für Polizeiliche Dienste (LZPD) nach Duisburg versetzt und einen Monat später sogar befördert wurde, lässt sich nur mutmaßen. Nach Lesart des SPD hatte der damalige Innenminister Ingo Wolf (FDP) ein Interesse daran, den CDU-Mann als Gegengewicht zur großen, SPD-nahen Polizeigewerkschaft GdP zu fördern. Die Union wiederum wirft Jäger vor, die rechtswidrige Freistellung Wendts über Jahre gebilligt zu haben, „um sich die Gunst zu erhalten“, wie CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach sagte.

Dass Jäger erklärte, seit 2010 niemals auf die fragwürdige Beamtenbesoldung Wendts angesprochen worden zu sein, könnte gefährlich werden. Wendt selbst erinnert sich nämlich anders. Er traf Jäger häufig, saß mit ihm in einer Jury zur Beurteilung von Kriminologie-Masterarbeiten. In Polizeikreisen war Wendts Besoldung überdies seit Jahren Thema.

Die Grünen sehen im Fall Wendt die Enthemmung von „Klüngel-Deals“ des Landes mit den kleinen Polizeigewerkschaften DPolG und Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), wie Innenexpertin Monika Düker sagte. Beide können sich keinen hauptamtlichen Landeschef leisten und gewinnen bei Personalratswahlen keine Freistellungen – werden vom Land aber trotzdem mit Dienstfrei alimentiert. Einer neuen gesetzlichen Grundlage dafür, die Jäger ins Gespräch brachte, erteilte Düker eine Absage: „Eine Legalisierung der geltenden Praxis kommt für uns nicht in Frage.“

Der frühere NRW-Innenminister Ingo Wolf(FDP) hat unterdessen Vorwürfe zurückgewiesen, die schwarz-gelbe Vorgängerregierung trage Verantwortung in der Affäre Wendt. „Fakt ist, dass die jetzige Regierung den kompletten Zugriff auf die Akten hat und noch im Jahr 2014 einem Gewerkschaftsvorsitzenden explizit für die Wahrnehmung gewerkschaftlicher Aufgaben eine zumindest teilweise Freistellung gewährt hat“, so Wolf.