Essen. . Mustafa Kemal Basa weist Vorwurf zurück, Eltern und Kinder seien zum Spitzeln an deutschen Schulen aufgefordert worden. Kritiker widersprechen.

Drei Tage brauchten die türkischen Generalkonsulate in NRW, um auf die Spionage-Vorwürfe der Gewerkschaft GEW zu reagieren. Nun setzen sie sich zur Wehr, diplomatisch-höflich, aber entschieden. Von einem Aufruf zur Spionage in deutschen Klassenzimmern könne keine Rede sein, sagte Mustafa Kemal Basa, türkischer Generalkonsul in Essen, dieser Zeitung. Dass laut GEW möglicherweise Videos von Türkei-kritischen Lehrern angefertigt werden sollten, findet Basa nur „komisch“.

Auch interessant

Zwei „Info-Veranstaltungen“ zu Bildungsfragen soll es Ende Januar in den Generalkonsulaten in Essen und Düsseldorf gegeben haben. „100 Vereine hatten wir eingeladen, schließlich hatten wir am 27. Januar 45 Gäste im Konsulat“, sagte Basa. Veranstaltungen dieser Art seien üblich. Vier- bis fünfmal im Jahr würden Eltern- und Kulturvereine sowie „Vertreter der türkischen Zivilgesellschaft“ dazu eingeladen. Diesmal habe es eine offene Diskussion über Schulprobleme gegeben, speziell über Mobbing gegen türkeistämmige Schüler

„Mobbing und Diskriminierung kommen leider immer wieder vor“, erklärt der Generalkonsul. „In solchen Fällen raten wir den Betroffenen, sich an den Lehrer, an die Schulleitung, eventuell an die Schulbehörden oder auch an einen türkischen Elternverein zu wenden.“ Normalerweise gingen Eltern mit diesen Problemen nicht an erster Stelle in ein Konsulat. Bei einer Anfrage bemühe man sich dort aber zu helfen.

Generalkonsul übt Kritik am Politikunterricht

Basa kritisiert indes, dass sich einige Lehrer hierzulande nicht am „Beutelsbacher Konsens“ orientierten. In dem Regelwerk hatten sich Bildungsverbände und Politikforscher in den 1970-er Jahren auf Grundsätze für die politische Bildung verständigt.

„Wir legen Wert darauf, dass eine Diskussion objektiv sein muss. Ein Lehrer darf nicht indoktrinieren. Im Beutelsbacher Konsens steht, dass Indoktrination verboten ist und dass kontroverse politische Diskussionen im Unterricht kontrovers diskutiert werden müssen. Es kommt aber vor, dass Schüler, wenn es um die Türkei und islamische Religion geht, nicht die verschiedenen Standpunkte kennenlernen“, so Basa. Der Islam werde fälschlicherweise mit Terrorismus gleichgesetzt, türkeistämmige Kinder dürften auf dem Schulhof nicht ihre Muttersprache sprechen.

Das Generalkonsulat bestreitet, nationalistisch anmutende Lehrpläne für den Konsulatsunterricht an die Teilnehmer verteilt zu haben. NRW habe eigene Lehrpläne für den Türkischunterricht. Im Gegensatz zu Berlin gebe es gar keinen Konsulatsunterricht.

Gewerkschaft: Es ging nur vordergründig um Mobbing

Die Gewerkschaft GEW hält hingegen an den Spionagevorwürfen fest. Landesvorsitzende Dorothea Schäfer wehrte sich gegen Kritik, die GEW würde die türkischen Einrichtungen verfolgen. „Nicht wir machen Hexenjagd, sondern es ist umgekehrt“, sagte sie im Deutschlandfunk. Bei den Versammlungen in den Konsulaten sei es nur vordergründig um Mobbing gegangen. Tatsächlich sollten Lehrer gemeldet werden, die sich in Schule und Unterricht kritisch gegenüber der türkischen Regierung äußern. Aus Angst vor Verfolgung hätten die Informanten die GEW um Anonymität gebeten.

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, und der deutsch-türkische Journalist Hüseyin Topel berichteten am Freitag von massivem Druck, den Ankara in Deutschland auf Andersdenkende ausübe. Einschüchterungsversuche seien alltäglich, sagte Yasar Firat vom Duisburger Forum für mehr Demokratie: „Jeder hat Angst vor jedem.“

>>INNENEXPERTE FORDERT AUSWEISUNG

Als Reaktion auf die Spitzelaffäre forderte der Grünen-Innenexperte Volker Beck die Bundesregierung auf, die Verdächtigen in den türkischen Konsulaten auszuweisen. Das sei das übliche Verfahren, sagte Beck der „Passauer Neuen Presse“. Das Ausmaß der Spitzeleien bezeichnete er als erschreckend.

Die Bundesregierung kommentierte die Berichte zurückhaltend. Die erhobenen Vorwürfe müssten zunächst aufgeklärt werden, sagte ein Außenamtssprecher.