Düsseldorf. . Der NRW-Wirtschaftsminister bekennt sich zu langen Laufzeiten für Kohlekraftwerke und brüskiert nicht nur damit den grünen Koalitionspartner

  • Wirtschaftsminister Duin (SPD) geht bei der Vorstellung neuer Regierungsgrundsätze deutlich auf Distanz zum grünen Koalitionspartner
  • Er fordert ein Ende der verschärften Umweltstandards in NRW und längere Laufzeiten für die 46 Kohlekraftwerke im Bundesland
  • SPD-Parteichef Gabriel bringt ein Beschleunigungsgesetz ins Gespräch, um Widerstände bei Infrastrukturprojekten auszuhebeln

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ist sechs Monate vor der Landtagswahl erneut auf Distanz zum grünen Koalitionspartner gegangen.

Bei der Vorstellung von „industriepolitischen Leitlinien“ in einem Düsseldorfer Flughafen-Hotel bekannte sich Duin am Montag ausdrücklich zu noch langen Laufzeiten der 46 NRW-Kohlekraftwerke. Im Rheinischen Revier werde der Braunkohle-Abbau „bis 2045 auf jeden Fall weitergehen“, sagte der SPD-Politiker. „Ein verfrühter Kohleausstieg ist für die Landesregierung nicht die richtige Option“, stellte der Wirtschaftsminister klar. Anderes könne da ruhig auf Parteitagen diskutiert werden, spottete Duin in Richtung Grüne.

Schützenhilfe von Schröder und Parteichef Gabriel

Die NRW-Grünen hatten sich am Wochenende beim Parteitag in Oberhausen auf einen Kohleausstieg bis 2036 festgelegt. Damit milderten sie das als unrealistisch geltende Ausstiegsdatum 2025 der eigenen Bundespartei bereits ab.

Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der ebenso wie Alt-Kanzler Gerhard Schröder (beide SPD) beim Kongress zu den „industriepolitischen Leitlinien“ in Düsseldorf sprach, warnte davor, die Perspektive der Mitarbeiter im Rheinischen Revier aus dem Blick zu verlieren: „Es darf nicht alles mit Klimaschutz mal eben so weggewischt werden.“ Schröder betonte, dass nicht zuletzt die De-Industrialisierung in den USA mit ihren sozialen Folgen die Wahl von Donald Trump erst ermöglicht habe.

„Öko-Standards nicht mehr nachträglich verschärfen“

Auch in den „industriepolitischen Leitlinien“ selbst, die Duin mit Wirtschaft und Gewerkschaften erarbeitet hat, finden sich Spitzen gegen den Koalitionspartner. So wird gefordert, sich „bei der Umsetzung von EU-Normen und nationalem Recht auf eine strikte 1:1-Umsetzung zu beschränken“ und keine verschärften NRW-Grenzwerte draufzusatteln. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) wird seit 2010 für nachgeschärfte Öko-Standards kritisiert.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD, l) und der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD, l) und der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). © Federico Gambarini

Gabriel brachte sogar ein neues Instrument ins Gespräch, um Widerstände etwa von Umweltinitiativen und Anwohnern bei Infrastrukturprojekten auszuhebeln: Man benötige ein Beschleunigungsgesetz wie unmittelbar nach der deutschen Wende. Es sei absurd, dass das Prozedere für die Ersatz-Autobahnbrücke in Leverkusen, die direkt neben dem maroden Bauwerk entstehen soll, genauso umfassend sei wie das Planungsverfahren für eine komplett neue Brücke. „Kein Mensch versteht das“, sagte Gabriel. Er werbe für ein Beschleunigungsgesetz noch vor der Bundestagswahl 2017.

Bei den Grünen wird die Profilierungssuche der NRW-SPD bei den Themen Wirtschaft und Infrastruktur mit Großveranstaltungen der zuständigen Ministerien kritisch gesehen. Die „industriepolitischen Leitlinien“ seien bis heute überhaupt kein Thema im Kabinett gewesen und deshalb bloß als eine Art persönliche Selbstvergewisserung Duins zu werten, heißt es.

CDU kritisiert Kongress als Wahlkampfveranstaltung

Veranstaltung wie der mit 500 Gästen besetzte Flughafen-Kongress werden von den Grünen hinter vorgehaltener Hand als reine Steuergeld-Verschwendung bezeichnet. Auch CDU-Oppositionsführer Armin Laschet sprach von einer „Wahlkampfveranstaltung“, bei der mit „zustimmungsfähiger Prosa“ die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahre übertüncht werden sollten. Duin hingegen verwies darauf, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bereits klargestellt habe, seine Leitlinien seien ab sofort als „Pflichtenheft“ für die Landesregierung zu betrachten: „Das gilt.“

>> NRW-UNTERNEHMER HOFFEN AUF AUFBRUCH

Die NRW-Unternehmerverbände begrüßen die neuen industriepolitischen Leitlinien des Landes als mögliches „Aufbruchsignal“ gegen die De-Industriealisierung.

NRW-Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff meinte, das Konzept sei kein „Schön-Wetter-Programm, sondern eine konkrete Handlungsanleitung“.