Oberhausen. . Ein verbindlicher Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohle-Energie wird eine Kernforderung der Grünen im Landtagswahlkampf.
- Grüne verabschieden bei dreitägigem Parteitag ihr Programm für die Landtagswahl 2017
- Kernforderung ist Ausstieg aus der Kohle-Energie – "Das ist jetzt unser Job"
- Gesetzesänderung soll G8 und G9 an allen Gymnasien möglich machen
Der konsequente Kampf für den Ausstieg aus der Kohleverstromung soll Alleinstellungsmerkmal der Grünen im Landtagswahlkampf sein. In NRW gehe es darum, 27 000 Megawatt Kohleverstromung in 46 Kraftwerken abzuschalten, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel am Sonntag bei einem Landesparteitag in Oberhausen. "Das ist jetzt unser Job. Alle Anderen ducken sich weg." Am dichtesten Kohlekraftwerksstandort Deutschlands sei das für die nächste Wahlperiode der größte Kraftakt - "das Megaprojekt der Transformation".
Drei Tage lang hatten knapp 300 Parteitagsdelegierte personelle und inhaltliche Weichen für die Landtagswahl am 14. Mai und die vier Monate später folgende Bundestagswahl gestellt. Das rund 200 Seiten umfassende, einstimmig verabschiedete Wahlprogramm setzt starke Akzente bei Kohleausstieg, Klimaschutz, Bildungs- und Sozialpolitik. Eine Aussage zu möglichen Koalitionen traf der Parteitag nicht. In NRW regiert seit 2010 eine rot-grüne Koalition.
NRW-Grüne setzen sich inhaltlich von Bundespartei ab
In der Kohlepolitik setzen sich die NRW-Grünen mit ihrem Programmbeschluss nicht nur von politischen Mitbewerbern ab, sondern auch von der eigenen Bundespartei. Die hatte sich im November bei ihrem Parteitag in Münster überraschend auf einen Kohle-Ausstieg schon bis 2025 festgelegt.
"Es ist nicht möglich, in acht Jahren auszusteigen", kommentierte der Energie-Experte der Grünen-Landtagsfraktion, Reiner Priggen, die Kursänderung in NRW. Die größten Dreckschleudern müssten aber sofort vom Netz und neue Kohlekraftwerke dürften nicht gebaut werden, unterstrich Remmel.
In den Braunkohlekraftwerken und im Tagebau des Rheinischen Reviers gibt es inzwischen weniger als 9000 Arbeitsplätze - vor 25 Jahren waren es noch über 20 000. Die Grünen verlangen auch die Gründung einer Stiftung zur Finanzierung der Folge- und Ewigkeitskosten aus dem Braunkohlen-Abbau.
Grüne wollen G8 und G9 an allen Gymnasien
In der Schulpolitik soll eine Gesetzesänderung dafür sorgen, dass alle Gymnasien künftig sowohl acht- als auch neunjährige Wege zum Abitur anbieten. Damit reagieren die Grünen auf anhaltende Kritik am "Turbo-Abitur" nach nur zwölf Jahren.
Weitere zentrale Punkte im Grünen-Wahlprogramm: Nachtflugverbote in der Kernzeit von 22.00 bis 06.00 Uhr, ein dauerhaftes Verbot der umweltgefährdenden Fracking-Bohrtechnik im Bundesberggesetz, weiterhin ein Nein zu Studiengebühren, aber ein Ja zur Entkriminalisierung des Cannabiskonsums durch kontrollierte, legale Abgabe an zertifizierten Verkaufsstellen.
In ihrem Wahlkampfstil werde die Partei auf ernsthafte Angebote und Überzeugung setzen statt kurzatmig auf schnelle Erfolge, kündigte ihre Spitzenkandidatin, Schulministerin Sylvia Löhrmann an. "Wir werden nicht schreien: Hurra, wir sind sowieso immer gut und die anderen sind alle blöd."
Volker Beck fällt bei Basis durch – kein vorderer Listenplatz
Unterdessen ließen die NRW-Grünen ihren umstrittenen Parteifreund Volker Beck beim Landesparteitag ziemlich deutlich fallen. 22 Jahre sitzt der Kölner bereits im Bundestag und wollte nächstes Jahr in die Verlängerung. Doch da spielte der Landesverband nicht mit: In einer Kampfkandidatur gegen den renommierten Grünen-Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff stattete die Basis Becks Herausforderer am Freitagabend mit fast dreimal so vielen Stimmen aus.
In Berlin hatten die meisten Parteifreunde bereits damit gerechnet, dass Beck es nicht wieder auf einen der vorderen Listenplätze schaffen werde. "Alle erkennen seine enorme Lebensleistung an" - so oder so ähnlich äußerten sich im Vorfeld viele Grüne - Parteilinke wie Realos. Ein bisschen klang das schon nach Abschiedsrede.
Pädaphiliedebatte und Drogeneskapaden
"Ihr wisst, ich bin manchmal eine Nervensäge, aber ich brenne für die Sache und ich gehe auch dahin, wo es weh tut", hatte Beck in seiner Kandidatenrede in Oberhausen für sich geworben. "Ich möchte mit meiner Hartnäckigkeit und Ungeduld, aber auch mit meinen Fehlern um Euer Vertrauen bitten." Doch davon hatte der streitbare Kölner offensichtlich schon zu viel verspielt.
Seine Angreifbarkeit in der Aufarbeitung der Pädophilie-Debatte aus den frühen Jahren der Grünen hat viele in der Partei verärgert. Dann kam noch ein Drogenfund im März hinzu. Klare Distanzierungen, Entschuldigungen und wegen "geringer Schuld" beendete Verfahren konnten die Negativ-Schlagzeilen nicht vergessen machen.
Verband wünscht offenbar Generationswechsel
Sein eigener Kölner Kreisverband hob nicht Beck auf den Schild, sondern unterstützte die Spitzenkandidatur des jungen NRW-Landeschefs Sven Lehmann. Der 36-jährige Kölner landete am Ende zwar auch nicht auf dem erwünschten Platz 2, immerhin aber auf einem sicheren Platz 4. Offenbar wünschen sich viele in der Partei auch einen Generationswechsel.
Dabei gibt es durchaus einflussreiche gesellschaftliche Kräfte, die große Stücke auf Beck halten. Zu seien prominenten Unterstützern zählen Gewerkschaftsboss Frank Bsirske und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster.
Beck hatte - wenigstens nach außen - nie ein Problem damit, mit seinem Einsatz für Minderheiten zu nerven - den politischen Gegner oder die eigenen Reihen. In seinem Bewerbungsschreiben an den Parteitag formulierte er das als eigene Stärke: "Ihr kennt mich: Einknicken und Aufgeben ist nicht mein Ding."
Inhaltlich geben ihm die Grünen uneingeschränkt recht, wenn er unermüdlich gegen Diskriminierung, für die Ehe für alle oder die Entschädigung der Opfer des "Schwulenparagrafen" 175 kämpft. Trotzdem verdreht der eine oder andere schon mal die Augen, wenn er auf Beck angesprochen wird und murmelt etwas von "Moralkeule". Auch mit seinen offenen Auseinandersetzungen mit den Realos der Partei hat Beck sich nicht überall Freunde gemacht. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann mahnte jüngst auf dem Parteitag in Münster, es mit der "Political Correctness" nicht zu übertreiben. (dpa)