Essen. Dass es künftig an allen Schulen in NRW islamischen Religionsunterricht geben soll, feierte Integrationsminister Laschet Anfang Juli als "Durchbruch". Die Linken fordern nun "Ethikunterricht für alle" statt einer neuen Islamkunde. Denn diese, so argumentieren sie, hemme die Integration.
Raus aus der Moschee – rein in die Schule: Als erstes Bundesland will Nordrhein-Westfalen landesweit einen islamischen Religionsunterricht einführen. NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) feierte es Anfang Juli als „Durchbruch“, dass der Islamunterricht ab dem Schuljahr 2010/2011 ein reguläres, versetzungsrelevantes Schulfach parallel zum katholischen und evangelischen Religionsunterricht werden soll - in deutscher Sprache und von Lehrern unter deutscher Schulaufsicht.
Die Grünen kritisierten diesen „Schnellschuss“ umgehend und erklärten, für dieses Vorhaben gebe es viel zu wenige Lehrer. Einen Monat später nun haben sich auch die Linken in NRW zum Islamunterricht geäußert – und fordern, ihn gar nicht erst einzuführen. Stattdessen will die Partei einen Ethikunterricht für alle.
„Die Einführung eines zusätzlichen Religionsunterrichtes trägt nicht zu einem solidarischen und weltoffenen Miteinander in der Gesellschaft bei“, sagt Ali Atalan, migrationspolitischer Sprecher der Linken. Das sei vielmehr ein erneutes Integrationshemmnis. „Durch die Trennung in weitere Konfessionen wird die Separierung der Schüler voneinander nur verstärkt und damit kulturell zementiert.“
Die Islamkunde soll demnach den Weg auf den Stundenplan gar nicht erst schaffen, katholische und evangelische Religion sollen von dort komplett verschwinden. Alle drei nur noch Wahlfach. Als dann neues Pflichtfach empfiehlt die stellvertretende Linken-Landessprecherin Bärbel Beuermann die „Vermittlung einer altersgerechten demokratischen Werteordnung auf Grundlage der Menschenrechte und der Verfassung“. Ethikunterricht eben.
In Berlin ist Religion kein Pflichtfach mehr
Berlin als Vorreiter für NRW? In der Bundeshauptstadt ist Ethik Pflicht und Religion nur Wahlfach. Daran konnte auch ein Volksentscheid im April nichts ändern, zu wenige Berliner beteiligten sich daran.
Das Essener Zentrum für Türkeistudien (ZfT) lehnt einen Ethikunterricht für alle ab. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Martina Sauer erinnert daran, dass ein reiner Ethikunterricht dem Bedürfnis vieler türkischer Eltern – ob tief religiös oder nicht - nicht entspreche. „Sie wollen ihr Kind in islamischer Religion unterrichten lassen, allerdings in einer staatlichen Schule und eben nicht in der Moschee.“ In einigen Koranschulen bestehe nun einmal die Gefahr, dass der Islam sehr fundamentalistisch vermittelt werde, sagt Sauer. Und wenn die Politik das verhindern wolle, müsse sie eben einen Islamunterricht in den Stundenplan integrieren.
Erste Schulen in NRW sollen bereits nach den Sommerferien Vorreiter werden und einen Schulversuch starten. Dass die Einführung eines Islamunterrichts nicht ganz einfach wird, ist jetzt schon absehbar. Auf muslimischer Seite fehlt der Landesregierung bislang ein repräsentativer Ansprechpartner, mit dem verbindliche Inhalte für einen Islamunterricht abgesprochen werden können.
Ethikunterricht nur als zusätzliches Bonbon
Dennoch sei die Anstrengung richtig, sagt auch Aline Schram vom Centrum für religiöse Studien an der Universität Münster. Diesem Zentrum ist unter anderem der Lehrstuhl für die Religion des Islam angeschlossen. „Religion kann bei der Ausbildung der eigenen Identität helfen,“ sagt Schram. „Aus meiner Sicht muss man zunächst seine eigenen religiösen Wurzeln kennen, um miteinander über bestimmte Haltungen und Werte zu diskutieren.“ Daher ist die Rangfolge für Schram klar: Zunächst müsse die Schule den Religionsunterricht abdecken – für Katholiken, Protestanten und eben Muslime. Wenn dann noch Zeit sei, könne man über einen Ethikunterricht für alle als zusätzliches Bonbon diskutieren. Schließlich befinde sich Ethikunterricht nicht im luftleeren Raum, sagt Schram. „Wenn man über bestimmte Werte und ihren Hintergrund diskutiert, ist man auch ganz schnell wieder bei der christlichen Nächstenliebe.“
Ihr Hauptargument zielt allerdings auf die Kinder: In besonders strengen Elternhäusern oder Koranschulen dürften Kinder bestimmte Fragen gar nicht stellen. Schram betont: „Aus Schülern sollen aber mündige, denkende Menschen werden. Daher muss Schule den Raum bieten, in dem Kinder und Jugendliche ihre Fragen stellen– und sich mit ihren Ansichten an anderen Schülern oder am Lehrer reiben können.“