Dresden. Die Spitze der Sozialdemokraten fordert unmittelbar vor dem Parteitag in Dresden einen neuen Kurs in der Agenda- und Rentenpolitik. Nahles: Es kann nicht so bleiben, wie es jetzt ist. Münteferings Abschiedsrede mit Spannung erwartet.
Unmittelbar vor dem Parteitag in Dresden stehen die Zeichen bei der SPD auf Neuanfang und Aufbruch. Die designierte Generalsekretärin Andrea Nahles und Ex-Arbeitsminister Olaf Scholz forderten am Donnerstag Kurskorrekturen in der Agenda- und Rentenpolitik ihrer Partei. Auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach sich für eine Überprüfung der von der SPD in der Großen Koalition mitbeschlossenen Rente mit 67 an.
Der dreitägige Parteitag beginnt am Freitag mit der Abschiedsrede von SPD-Chef Franz Müntefering. Danach soll der 50 Jahre alte Ex-Umweltminister Sigmar Gabriel zum neuen SPD-Vorsitzenden gekürt werden.
Nahles sagte: «Es braucht jetzt einen Neuanfang. Neuanfang heiße auch, alte Gräben zuzuschütten. «Es kann nicht so bleiben, wie es jetzt ist», erklärte sie und fügte hinzu: «Ein Schnellschuss mit dem Austausch der Zahlen 67 und 65 wäre aber auch völlig unglaubwürdig.» Klar sei, dass die bisherigen Antworten der SPD viele Menschen jedenfalls zum Teil als ungerecht empfänden.
Die Agenda 2010 sei nach 16 Jahren Kohl-Regierung notwendig gewesen, sagte Nahles. Sie räumte ein, es seien auch Fehler gemacht worden. «Menschen, die 30 Jahre gearbeitet haben, empfinden es als völlig unzumutbar, wenn sie nach einem Jahr Arbeitslosigkeit genau so behandelt werden wie jene, die nie gearbeitet haben.»
Steinmeier will Rente mit 67 überprüfen
Der ehemalige Sozialminister Scholz, der auf dem Parteitag als stellvertretender Parteichef kandidiert, sprach sich für eine grundlegende Überprüfung der Arbeitsmarkt- und Rentenreformen seit 1998 aus. «Wir sollten die Sozialreformen der jüngeren Zeit nicht nur daraufhin abklopfen, ob sie technisch funktionieren, sondern ob sie aus der Perspektive jedes einzelnen Bürgers sinnvoll sind», unterstrich Scholz.
Steinmeier sagte, als Oppositionsführer im Bundestag wolle er darauf dringen, dass die Rente mit 67 im nächsten Jahr überprüft wird. Er fügte hinzu: «Wir haben das Gesetz in unserer Regierungszeit gemacht und die Überprüfungsklausel ist Teil des Gesetzes. Schon deshalb werden wir sie ernst nehmen.»
Die Rente mit 67 gilt als einer der Gründe für das Desaster der SPD bei der Bundestagswahl. Sie wird daher auf dem Parteitag eine zentrale Rolle spielen. In zahlreichen Anträgen wird ihre Abschaffung verlangt.
Bahr warnt vor radikalem Kurswechsel
Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, und der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, sprachen sich gegen eine Abkehr von der Rente mit 67 aus. «Das wäre das falsche Signal für die künftige Entwicklung der Rentenversicherung», sagte Rische. Kahrs betonte: «Wir wollen nicht zurück zur Rente mit 65, sondern die Rente mit 67 logischer und gerechter machen.»
SPD-Vordenker Egon Bahr warnte seine Partei davor, einen radikalen Kurswechsel vorzunehmen und der Regierungspolitik der vergangenen elf Jahre abzuschwören. Der «Stuttgarter Zeitung» (Freitagausgabe) sagte der einstige Weggefährte Willy Brandts: Sollte die SPD verkünden, «wir machen jetzt ein neues Programm und werfen die Agenda über Bord, wäre das doch Wahnsinn».
Änderungen an Hartz-IV gefordert
Der hessische SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel forderte dagegen grundlegende Veränderungen der Hartz-Reformen. «Zuerst einmal muss der Name weg», sagte Schäfer-Gümbel. «Dann müssen die Arbeitsmarktreformen deutlich nachjustiert werden».
Die Führungsspitze der SPD wollte sich bereits am (heutigen) Donnerstagnachmittag (ab 16.00 Uhr) in Dresden treffen, um den Parteitag vorzubereiten. (ap)