Stuttgart/Berlin. In mehreren Bundesländern standen am Mittwoch Patienten vor verschlossenen Praxen. Aus Protest gegen Einschnitte bei ihrer Bezahlung erschienen mehrere tausend Ärzte nicht zum Dienst. In Stuttgart demonstrierten am Nachmittag rund 8000 Mediziner

Der Streit um die Ärztehonorare hat sich deutlich verschärft. In mehreren Bundesländern begannen die Mediziner mit Protestaktionen gegen die Einschnitte bei ihrer Bezahlung. Vor allem in Baden-Württemberg blieben viele Arztpraxen geschlossen, tausende Ärzte gingen auf die Straße. Aber auch in Nordrhein-Westfalen und Hamburg protestierten Mediziner. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt forderte die Patienten auf, keinesfalls die von einigen Ärzten geforderte Vorkasse vor einer Behandlung zu leisten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung verlangte eine schnelle Korrektur der Honorarreform.

Mit den Protestaktionen richten sich die Ärzte gegen die nach ihren Angaben erheblichen finanziellen Einbußen, die mit der Honorarreform verbunden seien und in einzelnen Fällen bis zu 35 Prozent ausmachten. Aus Protest dagegen schlossen in Baden-Württemberg Tausende Mediziner ihre Praxen. Über 7.000 niedergelassene Ärzte beteiligten sich an der Aktion, wie die Interessenvertretung Medi in Stuttgart mitteilte.

Rund 8.000 Ärzte und ihre Angestellten demonstrierten laut Medi am Nachmittag in Stuttgart für eine gerechtere Bezahlung ihrer Leistungen. Der Vorsitzende des Ärzteverbunds, Werner Baumgärtner, forderte: «20 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen müssen in die ambulante ärztliche Vergütung fließen. Im Augenblick sind das etwa 15 Prozent. Das reicht nicht aus.» Baumgärtner kündigte weitere Praxisschließungen für den 1. und 2. April sowie eine Großkundgebung fürt den 23. September an, kurz vor der Bundestagswahl.

Gesundheitsministerin verurteilt Vorkasse-Forderung

Bundesgesundheitsministerin Schmidt verurteilte in scharfer Form, dass Ärzte wegen ausgeschöpfter Budgets von ihren Patienten Geld im Vorkasseverfahren fordern. Im ZDF-Morgenmagazin sagte die SPD-Politikerin: «Wenn Vorkasse verlangt wird, dreh' Dich um und geh.» Ärzte als Vertragspartner der Krankenkassen sollten ihren Auftrag erfüllen und dürften nicht auf dem Rücken der Patienten austragen, was an Zwistigkeiten innerhalb der Ärzteschaft zu klären sei. «Wer Vorkasse verlangt, sollte seine Zulassung zurückgeben.»

Die Politik und die politisch Verantwortlichen hätten dafür gesorgt, dass im Vergleich zu 2007 über drei Milliarden Euro mehr für diese neue Honorarreform fließen. «Und jetzt haben wir es mit einem innerärztlichen Verteilungsproblem zu tun, das die Facharztgruppen unterschiedlich betrifft», fügte Schmidt hinzu. Die Ministerin riet zu Gelassenheit. Man sei noch in einer Übergangsphase, Ärzte und Kassen hätten ja bereits beschlossen «nachzujustieren». Wo mehr Behandlungsbedarf sei, solle auch mehr Geld hinfließen.

KBV für grundsätzliche Korrektur

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sprach sich für eine grundlegende Korrektur der Honorarreform zum 1. Juli aus. «Wir wollen den Beschluss zu den Regelleistungsvolumen vollständig überarbeiten», sagte der KBV-Vorsitzende Andreas Köhler der «Rheinischen Post». So könnte es für einzelne Leistungen regionale Zuschläge geben. Zugleich will Köhler einen Schutz für kleine Arztgruppen erreichen. «Die Benachteiligung von Praxen mit kleinen Fallzahlen, aber einem weitreichenden Leistungsangebot, wollen wir beenden», sagte der KBV-Chef.

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