Berlin. Bei den Christdemokraten ist ein heftiger Streit über die gescheiterte Reform der Jobcenter entbrannt. Auf einer Präsidiumssitzung haben mehrere CDU-Ministerpräsidenten die Bundestagsfraktion der Union attackiert. Besonders erbost war offenbar Hessens Regierungschef Roland Koch.
Die Zukunft der Arbeitsvermittlung sorgt für Krach in der CDU. Mehrere Zeitungen berichteten in ihren Dienstagausgaben unter Berufung auf Teilnehmer, CDU-Ministerpräsidenten hätten in der CDU-Präsidiumssitzung am Montag lautstark die Haltung der Unions-Bundestagsfraktion kritisiert, die einen Kompromiss mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zur Reform der sogenannten Jobcenter Mitte März abgelehnt hatte. Im Mittelpunkt der Kritik habe der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Norbert Röttgen (CDU), gestanden.
Hessens Regierungschef Roland Koch habe der CDU-Spitze vorgeworfen, nach jahrelangen Verhandlungen plötzlich einen anderen Kurs eingeschlagen zu haben, schrieb die «Süddeutsche Zeitung». Sie habe Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers erst aufgefordert, einen Kompromiss zu suchen und ihn dann gegen die Wand laufen lassen. Besonders erbost habe Koch auf den Vorwurf Röttgens reagiert, die Ministerpräsidenten hätten durch ihr Ja zu dem Kompromiss mit Scholz das Grundgesetz missachtet. Auch Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff und sein sachsen-anhaltischer Kollege Wolfgang Böhmer seien Röttgen scharf angegangen.
Medienbericht: Röttgen wurde "zusammengefaltet"
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Mischverwaltung der Jobcenter, in denen Arbeitsagenturen und Kommunen zusammenarbeiten, für verfassungswidrig erklärt und Korrekturen bis 2010 gefordert. Für den von Scholz und Rüttgers ausgehandelten Kompromiss wäre eine Grundgesetzänderung nötig gewesen, den die Unions-Bundestagsfraktion aber ablehnte. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte damals gegen das Vorhaben.
Die Düsseldorfer «Rheinische Post» berichtete, Röttgen sei in der Präsidiumssitzung stellvertretend für den abwesenden Bundestagsfraktionschef Volker Kauder (CDU) regelrecht «zusammengefaltet» worden. Die Ministerpräsidenten fühlten sich von der Fraktion desavouiert. Ihrer Meinung nach seien die Jobcenter auf dem Weg in die Krise. Arbeitsvermittler sähen sich nach anderen Beschäftigungen um und das angesichts steigender Arbeitslosigkeit. Röttgen habe dem entgegengehalten, Vertreter von Kommunen und Arbeitsvermittlung hätten der Fraktion für die Ablehnung des Kompromisses gedankt. CDU-Chefin Merkel habe zu dem Krach gesagt: «Zukünftig müssen wir verhindern, dass zwei Züge aufeinander zu rasen.»
Die hannoversche «Neue Presse» berichtete, Kochs Kritik hätten sich auch Rüttgers und die Ministerpräsidenten des Saarlandes und Sachsens, Peter Müller und Stanislaw Tillich, angeschlossen. Die Regierungschefs wollten die Entscheidung der Fraktion nicht einfach hinnehmen. Die Unions-Bundestagsabgeordneten sollten erneut über die Reform abstimmen. Wulff habe die Landesvorsitzenden der Partei aufgefordert, Einfluss auf die Landesgruppen zu nehmen und sich dort für das Modell einer Grundgesetzänderung zur Neuordnung der Jobcenter einzusetzen. Am Donnerstag sollten Unions-Ministerpräsidenten und CDU-Spitze erneut darüber beraten. (ddp)