Essen. . Zahlt der Ex-Partner keinen Unterhalt, soll der Staat Familien künftig länger unter die Arme greifen. 100.000 NRW-Kinder erhalten Unterstützung.

Nach der Trennung fehlt dem Ex-Partner das Geld oder er ist gleich unbekannt verzogen: Wenn unterhaltspflichtige Elternteile nicht für ihr Kind zahlen, dann muss Vater Staat einspringen. 2015 hat er aus Steuermitteln rund 843 Millionen Euro gezahlt, um Unterhalt für knapp eine halbe Million Kinder von Alleinerziehenden in Deutschland vorzustrecken. In NRW wurden so etwa 103.000 Kinder unterstützt. Doch nur einen Teil des Geldes sieht die öffentliche Hand je wieder – zugleich sollen Bund, Länder und Kommunen künftig aber deutlich mehr Alleinerziehenden helfen.

In NRW hat etwa jede fünfte Familie nur ein Elternteil im Haus. Etwa die Hälfte der Alleinerziehenden muss ohne Unterhalt auskommen, ein Viertel bekommt nur einen Teil. Bisher übernimmt der Staat den Unterhalt, bis das Kind zwölf Jahre alt wird und auch nur maximal sechs Jahre lang – dann lässt er Alleinerziehende mit dem Kampf ums Geld allein. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will das ändern und die Begrenzung aufheben.

Finanzierung noch unklar

Bundesweit bis zu 260.000 Kinder und Jugendliche würden davon profitieren – in NRW wären es nach Berechnungen der Landesstatistiker allein 2015 rund 16 000 Kinder gewesen. Beim NRW-Verband alleinerziehender Mütter und Väter wird dieser Vorstoß gelobt: „Warum der Staat bisher gerade bei älteren Kindern keinen Unterhaltsvorschuss mehr zahlt, diese Grenze erschien immer willkürlich“, sagt Nicola Berkhoff vom Verbandsvorstand.

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Zugleich wächst der Druck auf das Land und die Städte. Denn sie stemmen gemeinsam rund zwei Drittel des Unterhaltsvorschusses. Noch ist unklar, wer die erwarteten Mehrkosten zahlen wird. Im Düsseldorfer Familienministerium hält man sich daher bedeckt. Beim Städte- und Gemeindebund NRW warnt indes Hauptgeschäftsführer Bernd Jürgen Schneider: „Diese Novellierung darf nicht zu einer weiteren finanziellen Belastung der Kommunen führen.“

Die Zahl der zu unterstützenden Kinder ist in den Revier-Städten seit Jahren konstant. Bochum etwa meldet zum Stichtag 30. September genau 1696 Kinder, für die der Staat insgesamt rund 2,8 Millionen Euro gezahlt hat. Vor einem Jahr waren es zwar 1692 Mädchen und Jungen – die Gesamtsumme der Unterhaltsvorschüsse belief sich auf 2,6 Millionen Euro. In Essen waren es zum gleichen Stichtag des laufenden Jahres genau 3099 Kinder, der Unterhaltsvorschuss belief sich auf knapp fünf Millionen Euro.

Dabei erhält der Staat nur einen kleinen Teil des Geldes tatsächlich zurück: Bundesweit sind es rund 23 Prozent des vorgestreckten Unterhalts, in NRW beläuft sich diese Quote auf 25 Prozent. In einigen Städten ist sie deutlich niedriger – in Herne lag sie 2015 bei 19, in Duisburg bei nur 16 Prozent.

Die Kommunen müssen den Unterhaltspflichtigen selbst hinterher arbeiten. Sie fordern dazu Auskünfte vom Finanzamt ein, im äußersten Fall wird der Klageweg beschritten. Aus Sicht von Rechtsexpertin Maria Wersig ein überholtes System. Sie schlägt vor, eine regional arbeitende Einsatzstelle zu schaffen, die für die Städte säumige Ex-Partner ans Zahlen bringen. „In Bayern wird das erfolgreich praktiziert“, urteilt die Dortmunder Professorin. Dort werden rund 36 Prozent des vorgestreckten Unterhalts erfolgreich eingefordert. 100 Prozent seien gleichwohl nicht zu erreichen: Nicht alle Elternteile seien zahlungsfähig oder noch am Leben.

Führerscheinentzug als Druckmittel

Als stärkeres Druckmittel hatte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig jüngst ins Spiel gebracht, säumigen Vätern mit Führerscheinentzug zu drohen. „Wer das Geld für ein Auto hat in Deutschland, der muss auch Geld für sein Kind haben“, sagte die Ministerin. Die Wirksamkeit einer solchen Strafe grenzt ein Sprecher des Bundesjustizministeriums ein. Zwar sind bundesweit rund eine halbe Million unterhaltspflichtiger Väter säumig. 2015 sind aber nur 3000 Fälle tatsächlich vors Gericht gekommen. „Es hat nur 1400 Verurteilungen gegeben“, berichtet der Sprecher. Nur für diese Anzahl von Fällen wäre der Führerscheinentzug ein „Werkzeug im Instrumentenkasten des Strafrichters“.