Essen. . Mehr als jeder zweite Student an deutschen Hochschulen fühlt sich übermäßig gestresst. Damit sei die Belastung höher als die von Arbeitnehmern.
Prüfungsdruck, eng getakteter Stundenplan, Zukunfts- und Versagensängste setzen Studenten in Deutschland unter Druck und lösen Stress aus. Das ergab eine Befragung von 18.000 Studenten durch Wissenschaftler der Universitäten Potsdam und Hohenheim im Auftrag des AOK-Bundesverbandes. Danach fühlen sich Studentinnen gestresster als ihre männlichen Kommilitonen, an staatlichen Hochschulen wird der Druck noch stärker empfunden als an privaten.
Im bundesweiten Vergleich studiert es sich in Rheinland-Pfalz am entspanntesten, während das Stressniveau in Nordrhein-Westfalen am höchsten ist. Dies lässt sich nach Meinung von Studienleiterin Uta Herbst mit der Größe der Hochschulen in NRW erklären. An Massen-Unis seien die Anonymität und die gefühlte Belastung höher.
Durch Bologna-Reform mehr Leistungsnachweise erforderlich
Jörg Bogumil, Sozialwissenschaftler der Ruhr-Uni Bochum und Experte für Hochschulreformen, verweist in diesem Zusammenhang auf die schlechte Betreuungsrelation in NRW. In keinem anderen Bundesland muss ein Professor so viele Studierende betreuen. Es fehle Zeit für Gespräche mit besorgten Studenten.
Eine Ursache für die steigende Belastung sehen die Experten in der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge seit 1999 im Zuge der Bologna-Reform. Sie sollte das Studiensystem europaweit vereinheitlichen und effizienter gestalten. Das bedeute vom ersten Studientag an Prüfungs- und Notendruck bei einer stark verschulten Ausbildung, erläutert Prof. Bogumil. „Durch die Bologna-Reform müssen die Studenten mehr Leistungsnachweise abliefern und Credit-Punkte für die Prüfung sammeln. Das hat dem Studium insgesamt nicht unbedingt gut getan.“ Zwar habe die Uni die Anforderungen bereits zurückgeschraubt, dennoch sei der Druck immer noch sehr hoch.
Studienberatungen zeitweise überlastet
Die Studienberatungen der Unis sind durch die große Zahl ratsuchender Studenten zeitweise überlastet. Der Bedarf an psychologischer Hilfe ist spürbar gewachsen. „Wir haben zu Beginn der Semester oft Wartezeiten für einen Beratungstermin von sechs bis acht Wochen“, sagt Ludger Lampen von der Zentralen Studienberatung der Ruhr-Uni. Der Druck auf die Studenten sei gestiegen, es bliebe kaum noch Zeit für Nebenjobs, Freizeit oder Sport.