Düsseldorf. Die NRW-Abgeordneten Serap Güler und Serdar Yüksel werden seit der Armenien-Resolution bedroht. Sie sagen: Erdogans Einfluss auf Landsleute sei groß.
- NRW-Abgeordnete werden seit der Armenien-Resolution bedroht
- Sie sagen: Erdogans Einfluss auf türkischstämmige Bürger sei riesig
- Unterstützt werde der Präsident durch mächtige Verbände
Serap Güler gehört der CDU an, Serdar Yüksel ist Sozialdemokrat. Die eine kommt aus Köln, der andere aus dem Ruhrgebiet. Die beiden so unterschiedlichen Landtagsabgeordneten verbindet in diesen Tagen etwas: schlechte Erfahrungen. Sie werden angefeindet, beleidigt, bedroht. Weil sie sich als deutsche Politiker mit türkischen Wurzeln nicht scheuen, Kritik am türkischen Präsidenten Erdogan zu üben. Und weil die Stimmung nach der Armenien-Resolution des Bundestages auch unter türkischstämmigen Bürgern in NRW vergiftet ist.
Der Bochumer Serdar Yüksel (43) muss viel einstecken, nicht erst seit der Armenien-Debatte. Üble Beleidigungen, anonym abgefeuert im Internet oder auf offener Straße. „Hund“, heißt es da, „ehrloser Bastard“. Yüksel glaubt, er werde angefeindet, weil er nicht so „funktioniert“, wie manche es von ihm erwarten. „Ich bin kein Diaspora-Abgeordneter der Türkei“, hat er mal dem türkischen Generalkonsul in Essen erklärt, nachdem der ihn öffentlich als „Türken“ vorgestellt hatte. Eine solche Haltung nimmt man Yüksel übel.
Auch die Familien werden beleidigt
Auch Serap Güler (35) spürt die akuten Verwerfungen im deutsch-türkischen Verhältnis. „Das Schlimme ist, dass es bei den Beleidigungen nicht nur um die Person selbst geht, sondern um die Familie, meine Mutter, meinen Vater.“ Beim Fastenbrechen begegneten ihr manche Menschen zurückhaltend oder mit Konfrontation. „Für die bin ich nach wie vor eine Türkin, auch als deutsche Abgeordnete. Das ist aber nicht typisch türkisch. Viele Deutsche sehen mich ja auch so. Es ist schwer, aus dieser Rolle herauszukommen.“
Forderung nach besserem Zugang zu Arbeit
Wer mehr Loyalität der Türkeistämmigen einfordere, sollte ihnen auch einen besseren Zugang zu Bildung und Arbeit ermöglichen, findet Serap Güler.
Die Politikerin berichtet: „Bürger, die einen türkischen Namen haben, stellen immer noch fest, dass sie doppelt oder dreimal so viele Bewerbungen schreiben müssen, um eine Stelle zu bekommen.“ Es brauche auch mehr Migranten im öffentlichen Dienst. „Das sind wichtige Rezepte für Integration.“
Erdogans Einfluss auf türkischstämmige Bürger in NRW sei riesig. Unterstützt werde der Präsident dabei durch mächtige Verbände. Neben der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) nennt Güler die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib). „Sie gibt sich offiziell versöhnlich, hat kurz darauf aber den Bundestagspräsidenten vom Fastenbrechen ausgeladen.“
NRW sei zum wichtigen Schauplatz der türkischen Innenpolitik geworden, seit Türken in Deutschland wählen dürfen, ohne in ihre Heimat zu reisen, meint Yüksel. Der Einfluss der Erdogan-nahen Verbände hierzulande und des von der AKP dominierten Fernsehens habe dazu beigetragen, dass eine Mehrheit der Türkischstämmigen in NRW Erdogan unterstütze. Was auch heißt: Sie identifizieren sich nicht mit der Politik des Landes, in dem sie wohnen.
Internettrolle im Dienst der AKP
Wann immer Serdar Yüksel in sozialen Medien etwas über die Türkei postet, erfolgt die Gegenreaktion innerhalb von Minuten, sagte er. „Es gibt Tausende Trolle im Netz, die dort im Dienst der AKP unterwegs sind und alles beobachten. Sie kopieren sich ihre Kommentare und Antworten aus fertigen Texten, die speziell dafür geschrieben worden sind.“ Der türkische Staat, will Yüksel damit sagen, stört überall systematisch Regierungskritiker.
Serap Güler, die Christdemokratin, hat zum Teil Verständnis dafür, dass manche Migranten aus der Türkei Deutschland misstrauen. Erdogan spreche diese Menschen geschickt an. „Viele von ihnen fühlen sich von der deutschen Politik vernachlässigt, diskriminiert, sehen sich in der Opferrolle. Die NSU-Morde lassen sie an Politik, Justiz und Polizei zweifeln. Und dann kommt Erdogan und streichelt ihre Seele. Er sagt, ihr seid nicht allein, er nennt sie Brüder und Schwestern, er sagt: Eigentlich gehört ihr zur Türkei.“ Zu lange, findet Güler, sei es versäumt worden, den Migranten zu sagen: „Ihr gehört zu uns.“ Dieses Versäumnis nutze Erdogan aus.