Speyer. Wegen der 5-Prozent-Klausel geht der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim gegen die Europawahl vor - er hält sie für verfassungswidrig. Acht Abgeordnete hätten ihr Mandat zu Unrecht und müssten es an kleinere Parteien abgeben. Er droht, beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einzulegen

Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hält die Europawahl für verfassungsrechtlich angreifbar.
Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer hält die Europawahl für verfassungsrechtlich angreifbar. © ddp

Der Speyerer Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim ficht die Europawahl vom 7. Juni an. Lehnt der Bundestag seinen Einspruch ab, will von Arnim beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen, wie er selbst am Mittwoch mitteilte. Bekommt er Recht, müsste seiner Ansicht nach die Fünf-Prozent-Hürde wegfallen und damit das EU-Parlament neu zusammengesetzt werden. Unterdessen sind sich die Bundesländer weitgehend einig, wie die vom Verfassungsgericht geforderte stärkere Beteiligung des Parlaments in EU-Angelegenheiten umgesetzt werden soll.

«Acht Abgeordnete - je zwei von CDU, SPD und Grünen, je einer von CSU und FDP - haben ihr Abgeordnetenmandat in Brüssel zu Unrecht inne und müssen es wieder hergeben», erklärte der Verfassungsrechtler. Für sie würden acht Vertreter kleinerer Parteien, etwa der Freien Wähler, der Tierschutzpartei und der ÖDP nachrücken.

Sperrklausel ist in anderen Fällen bereits gekippt

Von Arnim beruft sich auf das jüngste Urteil des Verfassungsgerichts zum EU-Vertrag von Lissabon: «Daraus ergibt sich klar, dass die Fünf-Prozent-Klausel, wie sie bei Bundestagswahlen gilt, bei Europawahlen nicht zu rechtfertigen ist.» Als Begründung führt er an, dass das Europaparlament die Entscheidungen, deretwegen die Klausel bei Bundestagswahlen besteht - «etwa Wahl der Regierung, Richtungsentscheidungen in Regierungs-Oppositions-Formation» -, nicht treffen könne. Selbst bei Kommunalwahlen hätten die Gerichte die Sperrklausel jüngst überall gekippt, seitdem die Bürgermeister und Landräte nicht mehr von den Kommunalparlamenten gewählt werden, sondern direkt vom Volk.

Die Fünf-Prozent-Hürde, die Parteien mit weniger Stimmen den Einzug ins Parlament verwehrt, untergrabe das Wahlrecht der Bürger. Von Arnim: «Die 10,8 Prozent oder rund 2,8 Millionen Stimmen, die bei der Europawahl für kleine Parteien abgeben wurden, sind wertlos. Ja, sie verkehren sich sogar ins Gegenteil, weil sie anderen Parteien zugeschlagen werden. Das widerspricht dem wichtigsten Bürgerrecht in der Demokratie, der Gleichheit der Wahl.»

Zuständigkeit des Bundesrats für Notbremse

Wie der Vorsitzende der Europaministerkonferenz und baden-württembergische Bundesratsminister Wolfgang Reinhart (CDU) dem Berliner «Tagesspiegel» (Donnerstagausgabe) sagte, haben die Bundesländer ihren Streit beigelegt, wie die Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat in der Europapolitik gestärkt werden sollen. Demnach soll im Begleitgesetz zum Reformvertrag von Lissabon das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren auf die europäische Politik angewendet werden. Wenn es um Länderzuständigkeiten geht, soll der Bundesrat die entscheidende Kammer sein.

Beim «Notbremsemechanismus» auf EU-Ebene soll es sogar eine «ausschließliche Zuständigkeit» des Bundesrats geben, wenn es um reine Länderdinge geht. «Hier ist nicht einzusehen, dass der Bundestag über europarechtliche Vorhaben zu befinden hat, die innerstaatlich allein Angelegenheiten der Länder wären», sagte Reinhart dem Blatt. Das betrifft etwa den Strafvollzug und die Sozialpolitik der Länder. Der «Notbremsemechanismus» bedeutet, dass jeder EU-Staat ein Vorhaben der Brüsseler Kommission zur Sozialpolitik und zum Strafrecht stoppen und eine einvernehmliche Lösung im Europäischen Rat verlangen kann. Dieses Vetorecht sollte bislang allein der Bundesregierung zukommen. (ap)