Essen. . Olaf Arndt (Prognos AG) redet im Interview über die Zukunftschancen des Ruhrgebiets. Seine Studie wird auf einer Regionalkonferenz vorgestellt.

So schlecht wie manche meinen, sind die Zukunftsperspektiven des Reviers nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium beim Forschungsinstitut Prognos in Auftrag gegeben hat. Bei einer Konferenz in Gelsenkirchen zur Zukunft der Regionalpolitik wird sie heute vorgestellt. Die WAZ sprach mit dem Autor, dem Regionalforscher Olaf Arndt, über die Chancen der Städte an der Ruhr.

Herr Arndt, was sehen Sie, wenn Sie durchs Revier fahren?

Olaf Arndt: Ich bin beeindruckt. Man kann den Strukturwandel aus 50 Jahren in zwei Stunden sehen. Das Ruhrgebiet der Gegensätze: den Landschaftspark Duisburg-Nord, das Centro in Oberhausen, Logistikzentren in Dortmund und Hamm, Industriebrachen, herrliche Stadtteile und triste Quartiere.

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Welche Schulnote würden Sie dem Ruhrgebiet geben?

Arndt: Eine 3. Mit Tendenz nach oben. Es gibt hier große Probleme wie die Langzeitarbeitslosigkeit. Aber die Region hat Potenziale.

Welche?

Arndt: Wissenschaft und Forschung, zum Beispiel. Und die Zuwanderung, die das Schrumpfen der Städte stoppt. Das ist eine Riesenchance, wenn man es richtig macht. Es kommen vor allem Migranten, und deren Integration muss funktionieren. Die neuen Bürger könnten die Fachkräfte von morgen sein. Das wird teuer, aber es lohnt sich.

Welche Lehre ist die wichtigste aus dem Strukturwandel?

Arndt: Nicht zu lange an alten Industrien festhalten. Schon in den 70er-Jahren gab es Reformversuche, aber man hat dann doch nicht den großen Sprung gemacht, ist an Stahl und Metallverarbeitung hängen geblieben. Das Revier müsste stärker in neue Märkte reingehen, in Energieeffizienz und -einsparung, Medizintechnik, digitale Wirtschaft.

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Noch was stimmt nicht: Es gibt hier zwar eine große Hochschullandschaft, aber das, was hier erfunden und gelehrt wird, kommt in der Region selbst zu selten zur Anwendung. Die Kontaktdichte zwischen Unis und Unternehmen lässt zu wünschen übrig. Die Frage sei erlaubt: Ist das, was die Hochschulen machen, zielgerichtet und anwendungsbezogen genug?

Welche Städte haben Potenzial?

Arndt: In Dortmund, Essen, Bochum, Mülheim gibt es einen Aufwärtstrend. Stärken haben auch Logistikzentren wie Duisburg und Hamm. Teile des nördlichen Reviers stecken noch im Strukturwandel fest, haben aber Flächenpotenziale für Ansiedlungen.

Wohin führt das Kirchturmdenken?

Arndt: Es ist ein Hemmschuh, absolut unzeitgemäß. Wer heute international mitspielen, wer Investoren und Fördergelder will, der muss als Einheit auftreten. Bei der Kulturhauptstadt hat man das mal geschafft. Das war super. Die Aufwertung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) ist ein erster kleiner Schritt von vielen, die nötig wären. Bei der Wirtschaftsförderung gibt es noch zu viele Parallelaktivitäten in den Städten, das ginge professioneller. Aber die Zusammenarbeit muss man wollen, sonst bleibt man am Ende doch am Kirchturm hängen.

Kirchturmdenken bleibt ein Ärgernis

Welche Lehren muss das Ruhrgebiet aus dem Strukturwandel ziehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Prognos-Gutachten, das heute vorgestellt wird. Die wichtigsten Inhalte:

Die Schwächen des Ruhrgebiets:

Das Kirchturmdenken hemmt die Entwicklung


  • Zu wenige Unternehmensgründungen

  • Zu wenige Berührungspunkte zwischen Hochschulen und Unternehmen in der Region

  • Die Stärken des Ruhrgebiets:

    Einer der größten Hochschulstandorte Deutschlands


  • Einige Industrien sind international spitze, zum Beispiel Metallindustrie, chemische Industrie, Maschinenbau, Energiewirtschaft, Logistik, Gesundheitswirtschaft

  • Einwohnerrückgang gestoppt. Dortmund/Essen wachsen sogar.


  • Was braucht das Ruhrgebiet?

    Moderne Verkehrswege, gute digitale Netze, Strom- und Gasnetze

  • Sanierung verarmter Stadtteile

  • Wille zur Zusammenarbeit

  • Investitionen in Forschung und Entwicklung

  • Zielgerichtete finanzielle Hilfen von Bund und Land.