Gelsenkirchen. . IHK-Präsident Benedikt Hüffer fordert von der Politik mehr Rückendeckung für die Ruhrwirtschaft. Der Mittelstand im Revier sei “ein zartes Pflänzchen“

Während viele Großkonzerne im Ruhrgebiet unter Krisen leiden, tanken kleine und mittlere Unternehmen neues Selbstbewusstsein. „Der Mittelstand schiebt die Konjunktur an“, sagte Benedikt Hüffer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, bei der Vorlage des Ruhrlageberichts der Revier-Kammern in Gelsenkirchen.

Eon und RWE leiden unter der Energiewende und müssen sich neu erfinden. Thyssen-Krupp drücken die niedrigen Stahlpreise. Und BP baut im Zuge des immer weiter sinkenden Ölpreises Arbeitsplätze ab. Die Frühjahrsumfrage der Kammern unter 950 Mitgliedsfirmen förderte sehr viel freundlichere Ergebnisse zu Tage: Danach bezeichnen neun von zehn Revier-Unternehmen ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut oder befriedigend. Nur elf Prozent sind unzufrieden. Im Vergleich zur Herbstumfrage, die auch schon positiv ausfiel, machte der Ruhr-Konjunkturklimaindex, den die Kammern zum 96. Mal erhoben haben, abermals einen deutlichen Sprung nach oben und erreichte den höchsten Wert seit 2011.

Angesichts der guten Zahlen gerät IHK-Präsident Hüffer fast schon ins Schwärmen: „Der Motor der Ruhrwirtschaft läuft rund, obwohl sich viele Großkonzerne in schwierigem Fahrwasser bewegen.“ Der Mittelstand, davon ist Hüffer überzeugt, spiele in der Region eine immer wichtigere Rolle. Er habe sich aus seiner früheren Rolle als Zulieferer und Dienstleister für die Konzerne gelöst und exportiere inzwischen in alle Welt.

Der Mittelstand ist ein „zartes Pflänzchen“

Trotz aller Erfolge sei der Mittelstand im Revier aber immer noch „ein zartes Pflänzchen“, das es „zu pflegen und zu hegen“ gelte. Ein Appell, den Hüffer insbesondere an die Politik richtete: „Das Ruhrgebiet darf sich jetzt nicht zurücklehnen. Unsere Unternehmen brauchen Luft zum Atmen.“

Denn trotz des guten Starts ins neue Jahr sehen die Kammern durchaus reviertypische Risiken. Da ist der Flächenmangel, den auch Wirtschaftsförderer seit Jahren beklagen. Da ist der Sanierungsstau bei Straßen, Brücken und digitaler Infrastruktur. Und da sind hohe Gewerbe- und Grundsteuersätze. Sorge bereitet den Kammern aber auch die „empfindlich gesunkene“ Akzeptanz für Produktion. Hüffer: „Industrie braucht mehr Freunde. Wo einst Arbeit, Wohnen und Leben eine Einheit bildeten, hat eine Entfremdung stattgefunden“, beklagt Hüffer. „Nahezu jede größere Investition, sei es in Anlagen, in Straßen, in Strommasten oder Erdkabel findet Kritiker und Gegner in Bürgerinitiativen.“ Der IHK-Präsident wünscht sich von den Stadträten, dass sie „ähnlich engagiert und lebhaft“ über Anliegen der Wirtschaft streiten wie bei der geplanten Neuordnung der Revierparks.