Bochum. Bringen mehr Flüchtlinge mehr Kriminalität? An der Bochumer Ruhr-Uni gab es dazu eine spannende Debatte – und Zahlen, die entwarnen.

Die Ängste sind wieder da. Vor dem Fremden. Dem Terror. Vor allem: der Kriminalität. Sie sind mit der Million der Flüchtlinge gekommen, die seit Mitte 2015 in Deutschland eingetroffen ist, und mit den sexuellen Übergriffen und Raubzügen der Silvesternacht in Köln noch einmal anstieg. Nicht nur Umfrage-Daten geben das wieder. Seit Januar haben in der Domstadt 1200 Normalbürger den „kleinen Waffenschein“ beantragt. Anderswo ist das in geringerem Umfang auch passiert.

Am Freitagabend ging es in Bochum weniger um solche Stimmung und Gefühle als um das Messbare. Um die Frage: Bedeuten mehr Flüchtlinge auch mehr Kriminalität?

Fehler der Politik könnten Gewalt auf die Straßen tragen

Die Ruhr-Universität hat dazu im Rahmen einer Ringvorlesung ins „Blue Square“ in die Innenstadt geladen und zwei Experten ans Stehpult gelassen. Den Bochumer Kriminologen Prof. Thomas Feltes und den Hamburger Kriminalpolizisten Andre Schulz. Er ist Chef des Berufsverbandes Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Der Saal war voll. Viele mussten stehen. Am Ende haben der Wissenschaftler wie der Praktiker aktuell eher entwarnt. Aber beide haben auch signalisiert: Fehler der Politik heute könnten morgen tatsächlich mehr Gewalt auf die Straßen tragen.

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Feltes und Schulz haben an diesem Abend unabhängig voneinander die selbe Untersuchung mitgebracht. Es ist eine Verschluss-Sache des Bundeskriminalamtes (BKA), die aus Berichten von elf Bundesländern gespeist ist und die im Kern ausdrückt: Die Kurve des Flüchtlingszustrom ist 2015 steil gestiegen. Die Kurve der Kriminalität biegt parallel nur leicht nach oben.

Das Papier stützt in vollem Umfang die Annahme des Braunschweiger Kripo-Chefs Ulf Küch, der in seinem Buch „Soko Asyl“ gerade feststellt hat: „Bei den Flüchtlingen, die nach Deutschland eingereist sind, ist der Anteil von Kriminellen prozentual nicht höher als der Anteil von Kriminellen in der deutschen Bevölkerung“

"Die Straftaten sind Bagatelldelikte"

Tiefer gehen weitere Daten, die Schulz vorträgt: Dass 33 Prozent der Delikte, die Flüchtlinge begehen, zum Beispiel Ladendiebstähle sind und weitere 33 Prozent Schwarzfahrerei. „Die Straftaten von Zuwanderern sind Bagatelldelikte“. Dass aber die 18 Prozent Gewalt, die den wenigen Taten der Ankommenden zuzuordnen sind, meist Gewalt innerhalb der Flüchtlingslager war und dass dort (Statistik-Anteil: 0,1 Prozent) sogar 26 versuchte oder vollendete Tötungen stattgefunden haben.

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Und der Domplatz? Der übergroße Anteil der sexuellen Gewalt in Deutschland, trägt Feltes vor, der passiere „in den eigenen vier Wänden“. Das habe selbst eine Untersuchung unter Studierenden der Ruhr-Universität ergeben. So schlimm das sei: „Der Domplatz ist nicht repräsentativ“.

Es sind aber auch alles Ansätze, wo die Entwarnung in Warnungen übergehen, dass es kippen könnte. Feltes, der die Analyse von Schulz teilt („Die Mehrheit ist nicht straffällig“) zitiert eine Position des bayerischen Landeskriminalamtes. Das glaubt: „Kriminalität ist keine Frage des Passes, sondern der Lebenslage“.

Woher kommt das Angstgefühl?

Im Klartext: Da ist der zu langen Aufenthalte in zu gedrängten Lagern. „Durch die Unterbringung schaffen wir den Nährboden für viele Straftaten“, sagt Schulz. Die fehlende Bildung bei den meist jungen, männlichen Zuwanderern auch, denn „Bildungsabbrüche sind kriminalitätsfördernd“ , wie Feltes feststellt. Da ist auch eine gerade erfolgte Weichenstellung der Koalition in Berlin, die den Familiennachzug per Gesetz begrenzt. Der Kriminologe hakt nach: „Familien, Beziehungen und eigene Kinder wirken präventiv. Ist die Zuzugsverhinderung dann richtig?“

Wenn die Flüchtlinge derzeit nur wenig neue Kriminalität bringen, wo kommt dann das „Angstgefühl in der Bevölkerung“ her?, fragt im Publikum der frühere Polizeipräsident von Münster, der Grüne Hubert Wimber. Und die Gefahr des „Risses in der deutschen Gesellschaft“, die Thomas Feltes fürchtet? Was ist mit der steigenden Zahl der Einbrüche, fragen ein Polizist aus dem Publikum und auch jemand, der mit Immobilien zu tun hat.

Es sind die Fragen, die bei allen Debatten im Hintergrund wabern. Andre Schulz deutet Ursachen an und verweist auf Aktenkundiges der Polizei: Es sind schon Ausländer, nicht aber die Schutzsuchenden der Kriegsgebiete, die in einigen Bereichen Kriminalität ins Land bringen. Die Hauseinbrecher aus Osteuropa. „Eine einzige Roma-Familie“ aus Polen, die die berüchtigten „Enkeltricks“ organisiert. Georgische Asylbewerber, die gar keine Chance auf Anerkennung haben und nur einwandern, um hier Läden und Menschen auf den Straßen auszurauben. Marokkaner wie in der Kölner Silvesternacht, die aber schon lange in Deutschland sind und kein Asyl wollen. Es sind eher Serben, Kosovaner und Nigerianer, die auffallen. Und überhaupt nicht Syrer, Iraker und Afghanen.