Düsseldorf. NRW startet eine Offensive zur Aufwertung des Ehrenamts. Kommunalpolitiker sollen ab Januar einmalig zehn Prozent mehr Aufwandsentschädigung erhalten.
Der Befund ist alarmierend und wird in NRW inzwischen parteiübergreifend geteilt: Die kommunalpolitischen Vertretungen im Land sind längst kein Spiegelbild der Gesellschaft mehr. In Kreistagen, Räten und Bezirksvertretungen engagieren sich vorwiegend noch Rentner und Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes. Bei der Aufstellung der Reservelisten zur Kommunalwahl tun sich alle etablierten Parteien schwer, Kandidaten für das zeitaufwendige Ehrenamt zu finden.
NRW will nun umsteuern und die Kommunalpolitik wieder attraktiver machen. In einem ersten Schritt sollen zum 1. Januar 2016 alle rund 20.000 Kommunalpolitiker im Land einmalig zehn Prozent mehr Aufwandsentschädigung erhalten. „Das Innenministerium bereitet die Änderung der Entschädigungsverordnung vor, diese soll zum 1.1.2016 mit einer zehnprozentigen Steigerung in Kraft treten“, bestätigte eine Sprecherin von Innenminister Ralf Jäger (SPD) unserer Zeitung. Die Landtagsfraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP hatten sich gemeinsam für die Erhöhung ausgesprochen.
211,90 bis 576,80 Euro für Ratsmitglieder
Die Spanne der monatlichen Pauschalen für Ratsmitglieder wird dann von 211,90 bis 576,80 Euro reichen. Für ein Mandat, das 20 Wochenstunden leicht übertrifft, dürften diese Summen kaum Anreiz zur politischen Beteiligung sein. Es gehe zunächst um eine Anerkennung und symbolische Aufwertung, heißt es in Düsseldorf. „Das kommunale Ehrenamt ist eine wichtige, unverzichtbare Säule der Demokratie. Die Entscheidungen, die vor Ort getroffen werden, betreffen die Bürger unmittelbar“, sagt Grünen-Kommunalexperte Mario Krüger.
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In den vergangenen Jahren sei der Zeitaufwand und die Komplexität der Themen gestiegen, so Krüger. Vorlagen müssen verstanden, bearbeitet, bei der Stadtverwaltung nachgeprüft werden. Das geht nicht ohne endlose Termin-Serien abseits der eigentlichen Sitzungen. Nicht zuletzt der demografische Wandel verschärfe die Nachwuchssorgen in den kommunalen Gremien, so Krüger. Eine Mitte 2013 eingesetzte „Ehrenamtskommission“ des Landtags kam sogar zu dem ernüchternden Befund, dass das „Leitbild des Freizeitpolitikers“ kaum mehr mit den Kontrollaufgaben zu vereinbaren sei.
Reform der Gemeindeordnung
Ebenfalls zum 1. Januar 2016 wird das Innenministerium mit einem zweiten Erlass die Arbeitsausstattung der kommunalen Fraktionen aufwerten. Herzstück der Aufwertung soll jedoch eine Reform der Gemeindeordnung werden, die SPD und Grüne bis Mitte 2016 beschließen wollen.
Darin wird neu festgelegt, wieviele Abgeordnete den Status einer Fraktion beantragen können und somit wertvolle Finanzmittel für Büros und Mitarbeiter erhalten. Bislang können in kreisangehörigen Gemeinden zwei Ratsmitglieder eine Fraktion bilden, in kreisfreien Städten müssen es drei sein. Dies führte zu Schieflagen: So war es etwa in der Kreisstadt Neuss leichter, eine Fraktion zu bilden als im kreisfreien, aber einwohnerschwächeren Bottrop.
Politische Führung stärken
Künftig will Rot-Grün festlegen, dass in Räten bis 50 Mitgliedern schon zwei Politiker eine Fraktion bilden können, in Vertretungen mit über 50 Mitgliedern müssen es drei sein. In den größten NRW-Kommunalparlamenten mit mehr als 91 Mitgliedern liegt die Mindestgröße künftig bei fünf. Mit dieser Klarstellung soll auch verhindert werden, dass sich inhaltlich fremde Parteien zu rein technischen Fraktionen zusammenschließen, um Privilegien nutzen zu können.
Mit dem neuen Fraktionszuschnitt will die reformierte Gemeindeordnung zugleich die politische Führung stärken. Künftig haben bereits Fraktionen mit acht Mitgliedern Anspruch auf einen besser bezahlten Fraktionsvize. Wichtiger noch für Berufstätige: Die Verdienstausfall-Regelung wird überarbeitet. Wenn ein Kommunalpolitiker bei seinem Arbeitgeber frei nehmen muss, soll er bei der Stadt demnächst einen Stundensatz von bis zu 80 Euro inklusive Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung einfordern können. Die bisherige Deckelung habe dazu geführt, dass Freizeit-Politiker auch noch Renten-Nachteile in Kauf nehmen mussten.