Essen. Die Linkspartei will die Pflicht für Radfahrer und Fußgänger aufheben, rote Ampeln zu beachten. Das bringt ihnen keine Sympathie der Regierung ein.

Die US-Wirtschaftszeitung Wall Street Journal kümmert sich um Deutschland und seine strikten Regeln neuerdings nicht mehr nur dann, wenn es um Griechenland und Europas Schuldengrenzen geht. Aber jetzt hat das New Yorker Blatt ins pralle deutsche Alltagsleben eingegriffen. Es hat sich den vielen rot-gelb-grünen Ampeln im Merkel-Land gewidmet.

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Nicht den Lebensmittelampeln, die der Bundestag so gerne diskutiert. Auch nicht den Ampel-Koalitionen. Vielmehr schreibt es über die echten. Die Verkehrsampeln. Das Wall Street Journal fragt in der Schlagzeile: „Werden die Deutschen jemals die Straße bei Rotlicht überqueren?“

Rote Ampeln sollen vor allem für Autos gelten

Die amerikanische Zeitung greift damit in einer politische Debatte ein, die im Schatten von Flüchtlings- und Griechenland-Krise schon ein langes Leben führt. Eine Koalition aus Grünen und Linken und Radfahrern und Fußgängern fordert, dass Rotlicht vor allem für Autofahrer gelten soll. Nicht aber für die, die per Rad oder zu Fuß unterwegs sind. In Internetforen heißt es unverblümt: „Ampeln sind vor allem etwas für Autos. Sie sind schnell, es gibt sehr viele von ihnen und sie sind extrem unflexibel.“.

Die linke Verkehrsexpertin Sabine Leidig findet im Wall Street Journal ausgiebig Raum, sich dazu zu äußern: „Alle, die mit ihren Fahrrädern in den Innenstädten unterwegs sind, kennen dieses Gefühl, wie Kinder behandelt zu werden“. Leidig will im Bundestag den Antrag einbringen, die Straßenverkehrsordnung zu ändern.

Ampeln sollen Funktion von Vorfahrtsschild bekommen

Kern des Vorschlags: Ampeln sollen für die Nicht-Autofahrer dieselbe Funktion haben wie das simple Vorfahrtsschild an der nächsten Straßenecke. Als Aufforderung, nach links und rechts zu gucken und seinen Weg fortzusetzen, wenn keine Gefahr in Sicht ist.

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Wer heute vor allem als Mitglied der 72 Millionen Köpfe starken Radfahrer-Familie so reagiert, riskiert im Extremfall selbst den Auto-Führerschein. Denn mit dem Rad eine rote Ampeln zu missachten kostet nach der jüngsten Bußgeld-Reform nicht nur 60 Euro, sondern auch einen Punkt in Flensburg. Bei acht Punkten ist die Fahrerlaubnis weg.

Diese typisch deutsche Strenge an diesem Punkt versteht man im Ausland überhaupt nicht. In Paris und Basel und auch in den Niederlanden können dürfen sich Radfahrer in bestimmten Ampel-Lagen – zum Beispiel beim Rechtsabbiegen – den Teufel um das Rotlicht scheren. Auch im Stadtrat von San Franciso wird derartiges diskutiert, merkt das Wall Street Journal mit Bezug auf die heimische Debatte an. Um dann aber hinzuzufügen, Frau Leidig habe null Chancen, ihren Plan gegen „Kanzlerin Merkels konservativen Block“ durchzusetzen.

Vorstoß hat wenig Aussicht auf Erfolg

Was stimmt. Die Koalition wird den Vorstoß der Linken abwehren – auch mit Hinweis auf die steigende Zahl der getöteten Radfahrer im Straßenverkehr. Ein Plus von 12 Prozent auf 396, und dazu 77 900 Verletzte. Zuviel, so wird das Verkehrsministerium argumentieren, um sich auf Experimente einzulassen.

Und was das Rechtsabbiegen angeht: Die Straßenverkehrsbehörden hätten heute schon die Möglichkeit, spezielle Radfahrer-Ampeln zu installieren, antwortete das Ministeriums jüngst auf eine mündliche Anfrage der Grünen. Und von rechts abbiegenden Pkw müssten Radfahrer auch nicht bedroht werden. Man könne die Haltelinie für Räder drei Meter vor der der Autos installieren.