Essen. Trend zum Studium wird laut einer Prognose der Bertelsmann-Stiftung noch viele Jahre anhalten. Zugleich fehlten Lehrlinge in Industrie und Handwerk.
Der Trend zum Studium scheint unaufhaltsam. Während Industrie und Handwerk der Nachwuchs ausgeht, bleiben die Hörsäle auch in den nächsten Jahren proppevoll. Die geburtenschwachen Jahrgänge lassen die Zahl der Azubis zusätzlich sinken.
Dies geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung hervor, deren Prognose aufrüttelnde Zahlen enthält: Wenn sich der Zulauf an die Universitäten und Fachhochschulen wie in den vergangenen Jahren fortsetzt, werden in Deutschland nur noch 400.000 junge Menschen eine betriebliche Ausbildung beginnen – 80 000 weniger als heute. Das entspricht einem Rückgang von etwa 17 Prozent.
Unaufhaltsamer Trend zur Akademisierung
Bereits im letzten Jahr blieben laut der Studie 40 000 Lehrstellen unbesetzt. So klagt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bereits heute über einen Azubi-Mangel und befürchtet als Folge eine dramatische Fachkräftelücke in der Zukunft. Zugleich verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Nach Schätzungen werden bis 2030 rund 10,5 Millionen Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Auch interessant
Das Stichwort lautet „Akademisierung“. Das Jahr 2013 markierte eine Zäsur: Erstmals begannen mehr Menschen ein Studium als eine Berufsausbildung. Über den vermeintlichen „Akademisierungswahn“ entbrannte ein Streit. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, sagte jetzt: „Der Trend zur Akademisierung ist nicht zu stoppen. Der gesamte nachschulische Bereich muss sich verändern und anpassen.“
Hochschulen werden Rückgang kaum spüren
Der demografische Wandel werde die Anfängerzahlen in allen Bereichen der nachschulischen Bildung sinken lassen. Die Bertelsmann-Prognose rechnet im Jahr 2030 mit rund 700.000 Schulabgängern, 2011 waren es noch 880.000. Doch weil darunter immer mehr Abiturienten sind, die studieren wollen, werden die Hochschulen diesen Rückgang kaum spüren. Die Studie rechnet mit einem mäßigen Minus von fünf Prozent. Den stärksten Zulauf verzeichnen voraussichtlich Studiengänge mit hoher Praxisorientierung. Auch die dualen Studiengänge werden demnach immer beliebter.
Die Autoren werben für eine stärkere Verzahnung von akademischer und betrieblicher Ausbildung, zumal der Arbeitsmarkt diese klare Abgrenzung längst aufweiche, so Dräger. Neue Modelle wie eine zweijährige Kombination von Studium und Ausbildung könnten helfen. An deren Ende könne die Entscheidung stehen: Berufsausbildung, Studium – oder beides.