Essen. . Der seit Jahren andauernde Syrien-Konflikt lässt sich so schwer beenden, weil viele Staaten gegensätzliche Interessen haben. Hier ist ein Überblick zu den konkurrierenden Mächten:
Russland hat seine Luftangriffe in Syrien trotz internationaler Kritik fortgesetzt. Die Kampfpiloten haben nach russischen Angaben auch andere Rebellengruppen als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ins Visier genommen. Nach Angaben von US-Senator John McCain wurden tatsächlich Stellungen von Rebellen getroffen, die der US-Geheimdienst CIA trainiert hat. Ein Überblick über die an dem Konflikt beteiligten Staaten und ihre Interessen:
Welche Ziele hat Russland?
Wie keine andere Nation greift Russland in Syrien ein und steht dabei an der Seite von Diktator Baschar al-Assad. Präsident Putin weitet mit dem Einsatz seine Macht aus und profiliert sich als Akteur in Nahost – eine Region, die lange ein Feld amerikanischer und europäischer Außenpolitik war. Putin will das ändern. Russische Medien feiern die Militärschläge als Kampf gegen den Terror des „Islamischen Staates“. Klar ist: Nicht nur der IS ist Ziel russischer Kampfjets – sondern auch Truppen der Freien Syrischen Armee, gemäßigte islamistische Gruppen, auch Kurden. Werden sie getötet, stärkt das den IS – und Diktator Assad.
Was wollen die USA?
Das Ziel von US-Präsident Barack Obama: Assad muss weg. Ein weiterer Eckpfeiler der amerikanischen Politik: Den IS kann nur eine Allianz der muslimischen Nachbar-Staaten besiegen. Obama ist überzeugt, dass Amerika sich in den Kriegen in Afghanistan und im Irak aufgerieben hat. Darum schickt Washington keine Bodentruppen nach Syrien. Obamas Strategie ist, den IS einzudämmen und „schließlich zu zerstören“. Parallel will er moderate sunnitische Kräfte in den Stand versetzen, Assad aus dem Amt zu drängen. Beides scheitert bisher. Trotz 7000 Luftschlägen gegen den IS haben sich die Islamisten etabliert.
Wie stark ist die Terrormiliz IS?
Der Islamische Staat beherrscht mittlerweile mehr als die Hälfte des syrischen Territoriums, auch wenn dort nur ein Zehntel der Bevölkerung wohnt. Nach der Eroberung von Palmyra kämpfen sich seine Kommandos entlang der Überlandstraßen in Richtung Homs und Damaskus vor. Die Gotteskrieger sind an keinerlei Verhandlungen interessiert. Sie wollen den syrischen Staat zum Einsturz zu bringen, ein panarabisches Kalifat errichten.
Welche Rolle spielt der Iran?
Für den Iran ist Syrien der wichtigste Verbündete im Nahen und Mittleren Osten. Während des ersten Golfkrieges von 1980 bis 1988 unterstützte Syrien als einziges arabisches Land den Iran gegen den irakischen Angreifer Saddam Hussein – eine Allianz, die ungebrochen ist und dem Regime in Damaskus das Überleben sichert. Iran liefert Waffen, Munition, Treibstoffe und Nahrungsmittel. Persische Kommandeure führen fast überall das Kommando, zum Verdruss ihrer syrischen Offizierskollegen. Ohne die von Teheran mobilisierte schiitische Hisbollah aus dem Libanon hätte das Assad-Regime wohl kapitulieren müssen. Sein Sturz wäre ein Rückschlag für den Iran und sein hegemoniales Streben in der Region.
Greifen die arabischen Staaten ein?
Sämtliche arabische Staaten sind in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt. Libanon und Jordanien tragen zusammen mit dem Irak und der Türkei die Hauptlast der Flüchtlinge. Aus Tunesien und Marokko stammen neben Saudi-Arabien die meisten ausländischen IS-Krieger. Und die Golfstaaten unter Führung von Riad wollen einen Sturz Assads, ohne selbst mit Bodentruppen einzugreifen. Stattdessen unterstützen sie die Rebellen der Eroberungsarmee („Jaish al-Fatah“) mit Geld. Militärisches Rückgrat dieser Brigaden ist die Al-Nusra-Front, die zu Al-Kaida gehört. Ägypten sieht sich eher an der Seite des Assad-Regimes.
Und was macht Europa?
Die EU hat nie eine klare Syrien-Strategie entwickelt. Assad soll weg, aber wie? Eine militärische Intervention erscheint den Europäern noch immer zu riskant, lange setzten sie auf Sanktionen. Briten und Franzosen wollten die syrische Opposition mit Waffen beliefern, aber Deutschland war dagegen. Ehe der IS nun ganz die Oberhand gewinnt, gilt Assad als kleineres Übel. Jetzt will man mit ihm „reden“. Heute sprechen erst einmal Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande mit Putin.