Brüssel. Die Staats- und Regierungschef der EU berieten auf einem Sonder-Gipfel, wie man die Massenflucht aus dem Osten am Ausgangspunkt bekämpfen kann.
„Chaos und Streit der letzten Wochen“ müssten endlich ein Ende haben, forderte Gipfelpräsident Donald Tusk. Angela Merkel pflichtete bei: „Wir müssen versuchen, die Dinge vernünftig zu ordnen.“ Europa solle in den Herkunftsregionen der Flüchtlinge mehr Hilfe leisten, außenpolitisch aktiver werden und „mit der Türkei die Prozesse vernünftig steuern“, sowie die Fluchtursachen stärker bekämpfen. „Ich glaube, Europa hat dazu die Kraft“, erklärte die Kanzlerin und bekräftigte ihr zunächst aufs eigene Land, jetzt auch auf Europa gemünztes Bekenntnis: „Wir schaffen das!“
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Ein erklärtes Ziel ist die verstärkte Hilfe für die humanitären Organisationen, die in Jordanien, dem Libanon und der Türkei Flüchtlinge in Zeltstädten und anderen Notunterkünften betreuen. Der Chef des Europa-Parlaments, Martin Schulz, mahnte die Staats- und Regierungschefs, mehr zu tun. Es gehe nicht an, dass 1,3 Millionen Bürgerkriegsvertriebene in der Region von 50 Cent am Tag leben müssten, weil dem Welternährungsprogramm (WFP) die Zuwendungen gekürzt wurden, auch von EU-Staaten. „Geldmangel … veranlasst mehr Flüchtlinge, sich auf den Weg nach Europa zu machen.“ Merkel räumte ein, dass auch sie lange „nicht gesehen habe, dass die internationalen Programme nicht ausreichend finanziert sind.“
Nach dem Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels will die EU die Hilfe für die UN-Organisationen nun um mindestens eine Milliarde Euro aufstocken. Schulz erklärte die Bereitschaft des EU-Parlaments, die Reserven des EU-Haushalts zugunsten der Flüchtlingshilfe zu mobilisieren. Die Mitgliedstaaten müssten aber ihrerseits tiefer in die Tasche greifen. Wie zuletzt schon Gipfelpräsident Tusk warnte der Parlamentschef vor einer Ost-West-Spaltung der EU in der Flüchtlingspolitik.
„Wir müssen eine solche Spaltung um jeden Preis verhindern!“
Die Bruchlinie war am Vortag erneut sichtbar geworden: Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Rumänien hatten sich geweigert, der Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen zuzustimmen, die in Italien oder Griechenland angekommen sind und dort die Kapazitäten sprengen. Sie wurden überstimmt, bei Verstößen gegen den Beschluss drohen ihnen Klage und Bestrafung.
Formal ist ein Beschluss mit „qualifizierter Mehrheit“ (mindestens 55 Prozent der Staaten, mit mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung) durchaus üblich, gilt aber bei wichtigen Fragen der Asylpolitik als untunlich. Die überstimmten Nationen zeigten sich erbost „Das ist ein Diktat, das wir nicht akzeptieren können“, schimpfte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, ein Sozialdemokrat der lautstarken Sorte. Sein tschechischer Kollege Bohuslav Sobotka hieb in dieselbe Kerbe: „Das System kann nicht funktionieren!“.
40 Verfahren eingeleitet
Länder, die sich weigern, ihr Umsiedlungsquantum zu erfüllen, müssen mit rechtlichen Schritten der EU-Kommission rechnen. Die will die Mitgliedstaaten schärfer zur Einhaltung der Regeln der gemeinsamen Flüchtlingspolitik anhalten.
Am Mittwoch wurden 40 Verfahren wegen einschlägiger Verstöße eingeleitet.
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Unter den Sündern ist auch die Bundesrepublik. Im Quartett der Überstimmten setzt man unterdessen darauf, dass der Umsiedlungsplan den Praxistest nicht besteht. „Hot Spots“ - Erstaufnahmestellen – müssten in Italien und Griechenland die Asylbewerber in Empfang nehmen, unterbringen, registrieren, den Zielländern zuteilen und dorthin transportieren – auch wenn sie nicht wollen. Das ist der Plan – und nach den Worten eines Diplomaten „ganz weit weg von der Wirklichkeit“.