London. . Geht es nach ihm, tritt Großbritannien aus der Nato aus: Die Mitglieder der Labour-Partei haben einen sehr linken neuen Vorsitzenden gewählt.

Deutlicher als erwartet hat Jeremy Corbyn die Wahl zum neuen Vorsitzenden der britischen Labour-Partei gewonnen. Von den 422 664 Labourmitgliedern, die an dieser Urwahl teilnahmen, konnte Corbyn mehr als eine Viertelmillion Stimmen, also nahezu 60 Prozent, auf sich vereinen. Er lag damit mehr als 40 Prozentpunkte vor dem Zweitplatzierten Andy Burnham. Der Sieg des 66-jährigen Ex-Hinterbänklers signalisiert einen deutlichen Linksruck bei Labour. Zugleich wurde bei der Urwahl auch sein Stellvertreter bestimmt. Es ist der ebenfalls gewerkschaftsnahe Unterhausabgeordnete Tom Watson.

Seine Fraktion ist ja eher moderat

Es bleibt abzuwarten, wie viel von seinem radikal linken Programm der neue Chef innerhalb seiner eher moderat eingestellten Parlamentsfraktion umsetzen kann, immerhin will er die Energieindustrie und die Bahn verstaatlichen, den Sozialstaat ausweiten und den Austritt aus der Nato.

Doch, wie Corbyn in seiner Dankesrede unterstrich, von einem Kernpunkt wird er nicht abrücken wollen: der leidenschaftlichen Opposition gegen die Austeritätspolitik der konservativen Regierung. Es müsse alles getan werden, rief Corbyn, um die „groteske Ungleichheit in unserer Gesellschaft zu beenden“. Er begrüßte den Anstieg bei den Mitgliederzahlen – die Partei ist seit der Wahlniederlage im Mai um die Hälfte gewachsen. Die neuen Mitglieder, so Corbyn, „haben die Nase voll von der Ungleichheit, der Ungerechtigkeit, der unnötigen Armut. All diese Themen haben sie zu uns gebracht, voller Hoffnung und Optimismus.“

„Tiefe Sorge“ um den Zustand von Labour

Während Corbyn die überwältigende Unterstützung der Basis erhalten hat, ist er doch unter seinen Kollegen im Unterhaus alles andere als unumstritten. Fast die Hälfte des bisherigen Schattenkabinetts hat angekündigt, nicht unter Corbyn dienen zu wollen. Hinterbänkler reden offen von Gefolgschaftsverweigerung. Parteigranden wie Lord Peter Mandelson oder der ehemalige Innenminister David Blunkett zeigten sich am Sonntag „tief besorgt“ über die Zukunft Labours und warnten vor einem Linksruck der „Loyalen Opposition Ihrer Majestät“, wie die Opposition im Unterhaus offiziell heißt.