Berlin. Der Bundestag hat am Mittwochvormittag über das nächste Griechenland-Hilfspaket abgestimmt. 453 Abgeordnete gaben grünes Licht für neue Finanzhilfen.

Deutschland hat grünes Licht für das neue Griechenland-Hilfsprogramm gegeben. Der Bundestag stimmte am Mittwoch in einer Sondersitzung mit großer Mehrheit der Auszahlung von Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsschirm ESM zu. 453 Abgeordnete sagten Ja, 113 waren dagegen. 18 Parlamentarier enthielten sich. 46 Abgeordnete fehlten.

63 Abgeordnete von CDU und CSU stimmten am Mittwoch mit Nein, 3 enthielten sich, 228 waren dafür. Im Lager der Regierungsparteien CDU und CSU war zuvor mit etwa 60 Nein-Stimmen gerechnet worden.

Schäuble ging auf Bedenkenträgern ein

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte eingeräumt, dass ein Ja zu weiteren Milliardenhilfen für Griechenland mit einigen Fragezeichen versehen ist. "Die Entscheidung über ein weiteres Hilfsprogramm für Griechenland fällt nicht leicht", sagte Schäuble am Mittwoch zum Auftakt seiner Regierungserklärung im Bundestag, der in einer Sondersitzung über das dritte Rettungspaket für Athen entscheidet. Es gebe beachtliche ökonomische und politische Gründe für und gegen die Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro, sagte Schäuble.

Unionsfraktionschef Volker Kauder hat die Zustimmung zu neuen Milliardenhilfen für Griechenland in engen Zusammenhang mit der drängenden Flüchtlingsproblematik gestellt. Europa habe womöglich noch schwerere Aufgaben zu lösen, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in der Sondersitzung des Bundestags. Dabei komme es darauf an, dass Europa zusammenstehe, das deutsche Parlament entscheide nicht im luftleeren Raum. Die Menschen würden die Politik letztlich nicht an Griechenland messen, sondern an der Bewältigung der Flüchtlingsfrage.

Das Griechenland-Paket sei "im Interesse Griechenlands und im Interesse Europas", sagte Schäuble. Er hat außerdem die weitere Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur zwingenden Voraussetzung neuer Milliarden-Hilfen für Griechenland erklärt.

Nun also das Hilfpaket für Griechenland - Fragen und Antworten zu den Folgen 

Aber was genau sieht das Programm eigentlich vor? Welche Risiken birgt es für den deutschen Steuerzahler? Und ist Griechenlands Austritt aus der Eurozone ("Grexit") damit vom Tisch? Das Wichtigste im Überblick.

Wieviel Geld bekommt Griechenland und was muss Athen leisten?

Insgesamt hat das Rettungspaket für Griechenland ein Volumen von 86 Milliarden Euro. Eine erste Auszahlung soll 26 Milliarden Euro schwer sein. Die Zeit drängt, schon am Donnerstag muss Athen fällige Schulden in Milliardenhöhe an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Aus eigenen Mitteln wäre dies für Griechenland kaum zu stemmen. Im Gegenzug zu der Finanzspritze verpflichtet sich das Land zu weitreichenden Reform- und Sparmaßnahmen. Unter anderem muss die Regierung den Staatshaushalt sanieren, das Finanzsystem von faulen Krediten bereinigen, Staatseigentum privatisieren, das Renteneintrittsalter erhöhen, die Verwaltung modernisieren und Steuerhinterziehung stärker bekämpfen.

Droht der "Grexit" immer noch?

Die Gefahr scheint vorerst gebannt. Für EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ist aufgrund des dritten Hilfspakets klar: "Griechenland wird unabänderlich Mitglied der Eurozone bleiben." Sogar Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schlägt inzwischen gemäßigtere Töne an. Schäuble hatte sich in den vergangenen Wochen für einen vorübergehenden "Grexit" ausgesprochen. Dafür hatte der Finanzminister viel Kritik geerntet. Auf die Frage, ob ein "Grexit" durch das neue Hilfspaket vom Tisch sei, sagte er nun: "Griechenland muss die Wahl treffen." Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hat den Austritt seines Landes aus dem Euro als finanziellen "Selbstmord" bezeichnet. Insofern lassen sich Schäubles Worte als Warnung an Athen verstehen, die zugesagten Reformen auch wirklich umzusetzen.

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Was kommt auf den deutschen Steuerzahler zu?

Das dritte Hilfsprogramm wird aus dem Rettungsschirm ESM finanziert. Der Finanzierungsanteil Deutschlands am ESM beträgt knapp 27 Prozent. Deutschland haftet demnach für das neue Hilfspaket mit rund 23,2 Milliarden Euro. Das bedeutet aber nicht, dass der deutsche Steuerzahler diese Summe tatsächlich zahlen muss. Dies würde nur für den Fall gelten, dass alle Gläubiger irgendwann auf sämtliche Forderungen aus dem ESM verzichten müssen. Bisher haftet Deutschland für Risiken aus den ersten beiden Griechenland-Paketen sowie für Forderungen aus dem europäischen Zentralbankensystem und aus Krediten des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einem Volumen von schätzungsweise 85 Milliarden Euro. Zusammen mit dem dritten Hilfspaket ergeben sich also gut 108 Milliarden Euro.

Kann Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen?

Die griechische Staatsverschuldung liegt derzeit bei gut 177 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Und es könnte noch schlimmer kommen: Der IWF erwartet, dass sich der Schuldenberg innerhalb der nächsten zwei Jahre der 200-Prozent-Marke annähern wird. Dabei geht er davon aus, dass bereits bei einer Staatsverschuldung von 110 Prozent der Wirtschaftsleistung fraglich ist, ob Griechenland auf Dauer zahlungsfähig bleiben kann. Der IWF hat daher einen Schuldenschnitt für das Land gefordert. Die Bundesregierung hält davon aber nichts. Die Debatte um einen Schuldenschnitt sei inzwischen beendet, hieß es am Montag aus Berlin. Bei Schuldenerleichterungen gebe es allerdings Spielraum.

Schuldenschnitt oder Schuldenerleichterung?

Ein Schuldenschnitt bedeutet den vollständigen Erlass zumindest eines Teils der bestehenden Schulden. Diese werden dann von den Gläubigern komplett abgeschrieben und vom Schuldner nicht mehr zurückgezahlt. Nach den europäischen Verträgen ist ein solcher Schuldenschnitt aufgrund einer sogenannten "No-Bailout"-Klausel eigentlich ausgeschlossen. Im Unterschied zum Schuldenschnitt geht es bei Schuldenerleichterungen, wie sie die Bundesregierung in Erwägung zieht, um Verlängerungen der Rückzahlungsfristen und um Verringerungen der Zinsen. Niedrigere Zinsen wirken ähnlich wie ein Schuldenschnitt, weil sie die Forderungen der Gläubiger über die Zeit tatsächlich verringern. Verlängerungen der Kreditlaufzeiten dagegen verringern den Schuldenberg nicht, verschieben aber den Zahltag weiter nach hinten. (dpa)