Dublin/Berlin. . Die Menschenrechtsorganisation erntet für die Entscheidung weltweit Kritik. Sie erhofft sich besseren Schutz der Betroffenen. SPD und CDU signalisieren Verständnis.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International will sich weltweit für die Legalisierung von Prostitution einsetzen. Auf diese Weise könne man die Betroffenen am besten schützen, befanden Amnesty-Delegierte am Dienstag bei einer Hauptversammlung in Dublin.

In der umstrittenen Resolution fordert die Organisation, den einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen zu legalisieren. Ausbeutung jeglicher Art sowie die Prostitution von Minderjährigen müssten zwar bestraft werden - gleichzeitig setzt sich Amnesty aber für eine Entkriminalisierung von Zuhältern und Bordellbetreibern ein.

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Podgornik, Marc-Andre WR
Von Marc-André Podgornik

Die Entscheidung war bereits im Vorfeld auf Kritik gestoßen: Ein Aufruf gegen das Vorhaben fand weltweit tausende Unterstützer.Vor der Abstimmung in Dublin hatte etwa das Bündnis Koalition gegen Frauenhandel (CATW) gewarnt, der Name von Amnesty International werde „ernstlich beschmutzt“. „Es gibt keine Logik in der Annahme, dass man zum Schutz der Ausgebeuteten die Ausbeuter entkriminalisieren muss“, sagte CATW-Chefin Taina Bien Aime.

Alice Schwarzer und „Emma“ sind alarmiert

Auch in Deutschland sorgt der Vorstoß für Kontroversen. „Amnesty will Zuhälter schützen“, heißt es auf der Internetseite der Frauenzeitschrift Emma um Alice Schwarzer. Die Entscheidung sei gar „das unrühmliche Ende einer Menschenrechts-Organisation“. Schwarzer selbst sagte, die Entscheidung Amnestys sei „der nackte Hohn“.

Die Hilfsorganisation Solwodi für Opfer von Zwangsprostitution warf der Organisation vor, sich „auf die Seite von Zuhältern und Menschenhändlern“ zu stellen. Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes kritisierte Amnesty ebenfalls. Man fordere eine Regelung, „die den Sexkauf generell unter Strafe stellt“, heißt es auf der Internetseite.

Deutsche Politik äußert Verständnis für die Amnasty-Forderung

Unterstützung für die Entscheidung gab es indes von der deutschen Politik. „Den Beschluss von Amnesty International zur Entkriminalisierung der Prostitution verstehe ich als deutliches Signal für die Bekämpfung von Frauenhandel, Zwangsprostitution und Sex mit Kindern - also zum Schutz der Prostituierten“, sagte der familienpolitische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg.

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Die Grünen-Frauenpolitikerin Ulle Schauws sagte, die Kriminalisierung von Prostituierten treibe die Frauen in die Illegalität. Sie forderte, Prostitution und Menschenhandel nicht zu vermischen.

Auch von Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, gab es Rückendeckung: „Den Beschluss von Amnesty International zur weltweiten Legalisierung der Prostitution begrüße ich ausdrücklich“, sagte sie auf Anfrage. „Nur mit einer Legalisierung von Sex-Arbeit werden die Prostituierten aus der Kriminalität geholt und ihnen wird der dringend notwendige Schutz des Staates geboten.“

Prostituierten-Verband: „Rechte schützen uns, Verbote nicht.“

Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen, kommentierte: „Wir brauchen mehr Rechte, denn das ist unser Schutz, und keine Verbote.“

Amnesty selbst argumentiert, man habe vor dem Beschluss zahlreiche Betroffene angehört und drei Jahre zum Thema Sexarbeit recherchiert. Dabei habe sich herausgestellt, dass Prostituierte in Ländern, in denen das Gewerbe verboten ist, in stärkerem Maße von Gewalt und Ausbeutung betroffen seien als in Ländern, in denen Prostitution legal sei.

In Deutschland gibt es nach einer allgemein anerkannten Schätzung der Prostituierten-Interessenvertretung Hydra rund 400.000 Prostituierte. Wie viele davon zum Sex gezwungen werden, kann allerdings nicht beziffert werden. Fest steht nur: Die Mehrheit der Frauen kommt aus dem europäischen Ausland. Pro Jahr ermittelt das Bundeskriminalamt in 500 bis 600 Fällen zum Straftatbestand des sogenannten Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung - die Dunkelziffer ist jedoch um ein Vielfaches höher. (mit dpa)