Berlin. 20 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung reformiert die Bundesregierung das System umfassend. Jetzt wurde die zweite Stufe verabschiedet.

Kein Pflegebedürftiger werde durch die Umstellung auf das neue System schlechter gestellt, versicherte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in Berlin. Das Kabinett hatte zuvor die zweite Stufe seiner Pflegereform verabschiedet. Das erste sogenannte Pflegestärkungsgesetz war Anfang des Jahres in Kraft getreten.

Kernpunkt der zweiten Reformstufe ist ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der dementen Patienten den gleichen Zugang zu Pflegeleistungen ermöglicht wie körperlich Behinderten. Die bisherigen drei Pflegestufen sollen auf fünf Pflegegrade erweitert werden. Beide Stufen zusammen erhöhen die Beiträge zur Pflegeversicherung von 2,05 Prozent auf 2,55 Prozent im Jahr 2017. Das soll rund fünf Milliarden Euro bringen. Gröhe geht davon aus, dass damit bis 2022 die Reformen finanziert werden können.

Gesundheitsminister Gröhe: "Reform nutzt allen"

Der Gesundheitsminister erklärte: "Diese Reform nutzt allen - den Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und unseren Pflegekräften. Denn der tatsächliche Unterstützungsbedarf wird besser erfasst. Über die Leistungshöhe entscheidet künftig, was jemand noch selbst kann und wo sie oder er Unterstützung braucht - unabhängig ob durch Demenz oder körperliche Einschränkung."

Auch interessant

Mit dem Pflegegrad 1 beginne die Unterstützung deutlich früher. Mittelfristig könnten bis zu 500.000 Menschen zusätzlich in den Genuss von Pflegeleistungen kommen. "Außerdem entlasten wir pflegende Angehörige und sorgen dafür, dass sie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert sind" erklärte Gröhe.

Für die Deutsche Stiftung Patientenschutz greifen die Reformen von Gröhe zu kurz. "Es fehlt ein Konzept, das die Pflege zukunftssicher und generationengerecht macht", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der dpa. "Schon in sieben Jahren geht das Geld aus. Dann drohen den Beitragszahlern von heute Leistungskürzungen im Alter."

Experten bemängeln mehrere Punkte

Brysch bemängelte auch, dass Heimbewohner medizinische Behandlungspflege wie Medikamentengabe oder Verbandswechsel durch examinierte Pflegekräfte weiter selbst zahlen müssten. Bei Pflegebedürftigen daheim komme die gesetzliche Krankenversicherung dafür auf. "Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich bedenklich", sagte er. Die Stiftung prüfe eine Verfassungsklage.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, kritisierte ähnlich wie zuvor schon der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB): "Im Gesetz fehlt eine automatische Anpassung an das Preis- und Einkommensniveau." (dpa)