Berlin. . Die Anschläge auf Flüchtlingsquartiere häufen sich. Bayerns Ministerpräsident Seehofer fordert Maßnahmen - gegen Asylbewerber aus Balkan-Staaten.

Fast wöchentlich führt Bayern Sammelabschiebungen durch. Dann werden abgelehnte Asylbewerber per Charterflug zurückgeführt. Zumeist kommen sie aus der Balkan-Region, aus sicheren Herkunftsstaaten; ihre Anträge gelten als offensichtlich unbegründet. „So schnell, wie sie kommen, sollen sie auch gehen“, heißt es im Innen­ministerium in München.

Künftig will der Freistaat noch rigoroser vorgehen und solche Bewerber in zwei grenznahen Aufnahmezentren unterbringen. Gestern sprach sich das bayrische Kabinett für eine Radikalreform der Asylpolitik aus.

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Von Wilfried Goebels und Walter Bau

Man gerate mehr und mehr an die Belastungsgrenze und müsse „massiv entgegensteuern“. Kleine Korrekturen genügten nicht mehr, erklärte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Unter anderem will er, dass Albanien, Kosovo und Montenegro wie Serbien oder ­Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Und dass für sie alle wieder die Visapflicht eingeführt wird.

Seehofer schließt Zeltstädte zur Abschreckung nicht aus 

Er mahnte auch einheitliche Standards für die Betreuung von Flüchtlingen an. Sie dürften kein zusätzlicher Anreiz sein, nach Deutschland zu kommen. Zeltstädte – quasi zur Abschreckung – schloss Seehofer nicht aus.

Die Akzeptanz in der Bevöl­kerung droht zu kippen, weiß auch CDU-Vizechefin Julia Klöckner. Man müsse „unbedingt in unserer Gesellschaft die Balance halten“. Das Problem sind die Fälle, in denen es nicht um Flucht vor ­Verfolgung, sondern um ein besseres Leben gehe. Verständlich. Und nicht realisierbar. Klöckner ist überzeugt: „Das machen unsere Bürger auch nicht auf Dauer mit.“

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Die SPD ist irritiert. „Das sind ­alles nur Aktionen, um am Stammtisch zu punkten“, kritisiert Partei-Vize Ralf Stegner. Seehofer ver­suche, mit Rechtspopulisten in Wettstreit zu treten. „Er dürfte wissen, dass Schikanen von Flüchtlingen in einer Bundesregierung mit der SPD nicht zu machen sind.“

Brandstiftungen mit Vorgeschichte

Indirekt gibt Stegner dem CSU-Chef Mitschuld an den Anschlägen auf Flüchtlingsheime in der letzten Zeit: „Den realen Brandstiftungen gehen meistens rhetorische Brandstiftungen vorweg.“

Wer trifft die Stimmung? Wer ­bedient sie nur? Dass sich etwas dreht, ist unübersehbar. Die offizielle Statistik weist für das erste Quartal dieses Jahres 71 Delikte aus, bei denen Flüchtlingsunterkünfte Tatort oder direktes ­Angriffsziel sind. Bis Ende Juni hat sich die Zahl auf 151 mehr als verdoppelt. Zuletzt häuften sich vor allem Fälle von Brandstiftung.

Im bayerischen Reichertshofen wurde am Donnerstag ein Gasthof in Brand gesetzt, in dem Flücht­linge untergebracht werden sollten. Die nächsten Brandruinen folgten am Samstag in Waldaschaff bei Aschaffenburg und Remchingen bei Karlsruhe. In Halberstadt warfen Jugendliche Steine auf DRK-Helfer an einer Flüchtlingsunterkunft, aus dem Landkreis Rostock wurde ein Angriff auf Asylbewerber gemeldet.

Özdemir: "Am Stammtisch wird die Sau rausgelassen"

Nach dem unruhigen Wochenende schlug Seehofer am Montag Alarm auf einer Kabinettsklausur. Von Brüssel verlangte Bayern die Einrichtung von Asylzentren in Nord­afrika und vom Bund, dass man sich in Berlin „endlich“ in der ­„Tiefe“ und mit „Tempo“ dem Missbrauch stelle: Leistungskürzungen, keine Duldung, keine Arbeitserlaubnisse oder Abschiebestopps für abgelehnte Asylbewerber aus den so genannten sicheren Herkunftsländern.

Für die Grünen klingt das alles nach Doppelmoral. „Bei den ­Kirchen plädiert man für eine liberale Asyl- und Einwanderungs­politik, und am Stammtisch wird die Sau rausgelassen“, sagte Parteichef Cem Özdemir. Die Anschläge auf die Flüchtlingsheime verur­teilte der Grünen-Chef. „Das ist nicht die breite Bevölkerung, das sind rechtsradikale Verbrecher, die glauben, wir würden uns das gefallen lassen“, sagte Özdemir. „Aber sie irren sich.“