Berlin/Teheran. Die Eiszeit zwischen dem Iran und dem Westen scheint zu Ende zu gehen. Wer davon profitieren will, muss sich nun schnell in Stellung bringen.

Es ist eine Reise, die viele Milliarden Euro wert sein kann. Das Ziel: Die iranische Hauptstadt Teheran. An Bord: Vizekanzler Sigmar Gabriel und ein Dutzend Vertreter der deutschen Wirtschaft. Die Mission: Wirtschaftliche Chancen nach der historischen Einigung im Atom-Streit mit dem Iran ausloten.

Am Sonntagmorgen gegen halb elf startet der Regierungs-Airbus vom Typ A319 vom Flughafen Berlin-Tegel, um Deutschland in eine gute Ausgangsposition für den Wettlauf um die lukrativsten Geschäfte in dem ölreichen Golfstaat zu bringen. Gut vier Stunden später landet die Maschine auf dem Flughafen von Teheran.

Reise schon vor Iran-Einigung geplant

Die Planung der Reise begann schon im April, als noch lange nicht klar war, ob sich die UN-Vetomächte und Deutschland in Wien mit der Regierung in Teheran einigen würden. Die Visa für die Mitreisenden wurden vor zwei Wochen beantragt.

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Die historische Vereinbarung, die eine iranische Atombombe verhindern und die Wirtschaftssanktionen gegen das Land beenden soll, stand aber erst am vergangenen Dienstag. So kam es, dass Wirtschaftsminister Gabriel jetzt der erste westliche Spitzenpolitiker ist, der in Teheran Gespräche über die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit führt.

Das Programm kann sich sehen lassen: Präsident Hassan Ruhani empfängt den Gast aus Deutschland persönlich - protokollarisch in einem Land dieser Größe und Bedeutung nicht unbedingt üblich. Zudem sind Gespräche mit drei Ministern, dem Gouverneur der iranischen Zentralbank und der Industrie- und Handelskammer vorgesehen. Und zum Abschluss geht es am Dienstag in eine der kulturhistorisch bedeutendsten Städte des Irans: Isfahan, mit seinen atemberaubenden Palästen und Moscheen.

Gabriel spricht Menschenrechte und Israel an

Gabriel wird in Teheran darauf achten, dass die Freude über die neuen Geschäftschancen nicht zu euphorisch ausfällt. Schon am Flughafen spricht er die Menschenrechtslage und das weiterhin äußerst angespannte Verhältnis Teherans zu Israel an. Das Atom-Abkommen sei zwar ein "erster großer Schritt", sagt er. Aber es müssten noch weitere folgen.

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"Für Deutschland muss klar sein: Wer immer mit uns nachhaltige Beziehungen hat, der kann nicht das Existenzrecht Israels politisch in Frage stellen", sagt Gabriel. Eine klare Botschaft an Gabriels Gastgeber, von denen sich Israel weiter massiv bedroht fühlt.

Gute Geschäfte sind eben nicht alles. Gabriel will mit seiner Reise vor allem zeigen, dass es sich wirtschaftlich lohnen kann, politisch Fortschritte zu machen: Wandel durch Handel.

"Besseres Signal kann man sich nicht vorstellen"

Die deutschen Unternehmen mit Iran-Ambitionen versprechen sich von der Reise enorm viel. "Ein besseres Signal kann man sich gar nicht vorstellen", sagt der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Volker Treier. Er glaubt, dass sich die deutschen Exporte von derzeit 2,4 Milliarden Euro jährlich in den nächsten vier Jahren auf zehn Milliarden vervierfachen können.

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Treier sieht den deutschen Wettbewerbsvorteil vor allem in den historisch gewachsenen Bindungen. In den 1970er Jahren war der Iran der zweitgrößte außereuropäische Absatzmarkt der deutschen Wirtschaft nach den USA. 2005 war der Handel zwischen den beiden Ländern noch 4,8 Milliarden Euro wert. Dann brach er wegen der Sanktionen ein.

Die Lücke haben die Chinesen und Koreaner gefüllt. Heute kommen mehr als zwei Drittel der iranischen Importe aus Asien und weit weniger als ein Drittel aus Europa. Das Verhältnis der Iraner zu den Chinesen und Koreanern sei aber "sehr unemotional", sagt Treier. Die Affinität zu den Deutschen sei dagegen groß.

Deals im Maschinen- und Fahrzeugbau locken

Für die deutschen Firmen sieht der DIHK vor allem in den Bereichen Maschinen- und Fahrzeugbau, Baustoffe, Wassermanagement, Abfallwirtschaft, Erneuerbare Energien und Gesundheitswesen Potenzial. 2016 fallen nach jetziger Planung die entscheidenden Sanktionen. Dann soll das Iran-Geschäft so richtig brummen. Deswegen wird es nach dem Gabriel-Besuch weitere Delegationsreisen geben, auch eine große Wirtschaftskonferenz planen der DIHK und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bereits.

Und was, wenn das alles nicht funktioniert, wenn die Iraner ihr Wort nicht halten und ihre Verpflichtungen aus der Vereinbarung von Wien nicht umsetzen? Dann könne man auch ganz schnell wieder die Koffer packen, sagt Treier. Daran glaube aber niemand. (dpa)