Brüssel. Deutschland und Frankreich haben offenbar andere Vorstellungen von einer Lösung der Griechenland-Krise. Vor allem Finanzminister Schäuble eckt an.
Vor Beginn des weithin als entscheidend eingestuften Sondergipfels in Brüssel zeigten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande unterschiedliche Bereitschaft, mit Athen über eine neues Hilfsprogramm zu verhandeln: Hollande warnte vor den Folgen eines Grexit, Merkel betonte das verloren gegangene Vertrauen in die griechische Regierung.
Die christdemokratisch geführte Bundesregierung ist grundsätzlich skeptischer als ihre sozialistischen Partner in Paris gegenüber der Regierung des Premierministers Alexis Tsipras und seiner linken Syriza-Partei. Doch bislang hatten Berlin und Paris ihre unterschiedlichen politischen Instinkte und Interessen stets auf eine Linie gebracht. Diesmal blieben Differenzen unübersehbar. „Es geht darum, ob Griechenland in der Eurozone bleibt. Aber es geht auch um Europa“, sagte Hollande vor Beginn des Gipfels. „Frankreich wird alles tun, um heute Abend eine Einigung zu erzielen!“
Merkel will keine Einigung um jeden Preis
Merkel verwies darauf, dass es keine einhellige Empfehlung der Euro-Finanzminister gebe, jetzt Verhandlungen über ein neues Hilfspaket für Griechenland zu beginnen. Eine Einigung um jeden Preis komme für die Bundesrepublik nicht in Frage. „Die wichtigste Währung ist verloren gegangen, und das ist das Vertrauen und die Verlässlichkeit.“ Es müsse bei jedem Ergebnis sichergestellt sein, „dass die Vorteile die Nachteile überwiegen“.
Auch interessant
Hollande ließ auch keinen Zweifel, dass er nichts hält von Überlegungen aus dem Bundesfinanzministerium, wonach Griechenland vorübergehend aus der Eurozone ausscheiden könnte. „Einen provisorischen Grexit gibt es nicht … entweder ist Griechenland in der Eurozone oder draußen:“
Italiens Ministerpräsident ist für Entgegenkommen gegenüber Griechenland
Für ein Entgegenkommen gegenüber den Griechen sprachen sich auch der italienische Premier Matteo Renzi und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aus. Beide gehören wie Hollande zur Parteienfamilie der europäischen Sozialdemokraten. „Italien wird alles tun, den Griechen die Hand zu reichen“, versicherte Renzi. Schulz warnte, beim Treffen am Sonntagabend handle es sich nicht um einen beliebigen weiteren Gipfel. Diesmal müssten die Teilnehmer „über die Zukunft Europas entscheiden“. Eine Einigung noch am Sonntag sei zwingend geboten.
Die schon am Vortag begonnene Sitzung der Euro-Finanzminister verlief erneut überaus zäh. Sie war kurz nach Samstag Mitternacht unterbrochen worden und dauerte am Sonntag bis unmittelbar zum Beginn des Treffens der Staats- und Regierungschefs. Eine abschließende Entscheidungs-Empfehlung kam nicht zustande. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte, Merkel und ihre Kollegen müssten nun über die offenen Punkte befinden. Strittig ist vor allem, wieweit die griechischen Reformzusagen schon taugen, um Verhandlungen über ein dreijähriges Hilfsprogramm unter dem Schutzschirm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu ermöglichen. Nach Darstellung des finnischen Finanzministers Alexander Stubb ist davon nur eine Minderheit der 19 Euro-Länder überzeugt.
Schäuble fällt mit harter Position gegenüber Griechenland auf
Mit einer besonders harten Position („bei weitem nicht ausreichend“, „die Zahlen sind furchtbar schlecht“) trat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auf. Dessen Haus hatte zuvor ein Papier mit zwei Optionen in Umlauf gebracht. Danach müssten die Griechen zusätzlich zu weiteren Reformen für 50 Milliarden Euro Staatsbesitz verkaufen, um ihre Schulden zu drücken.
Auch interessant
Alternativ sollten sie eine mindestens fünf Jahre lange Auszeit von der Eurozone nehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen und die Schulden erträglich zu machen. Das Konzept wurde auf dem Treffen offenbar gar nicht erörtert, sorgte aber dennoch für Aufregung bei den Partnern. Renzi erklärte in einem Interview „Genug ist genug!“ Italien, Frankreich und die EU-Kommission sind besonders stark interessiert, die Griechen, wenn irgend möglich, in der Währungsunion zu halten.
Abschließende Vereinbarung wird wohl ausbleiben
Unter den beiden bisherigen Programmen hat Griechenland rund 240 Milliarden Euro Kredithilfe bekommen. Ein drittes Programm müsste nach Einschätzung der Gläubiger-Institutionen EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds rund 74 Milliarden Euro schwer sein, vermutlich zuzüglich einer Brückenfinanzierung, damit die Staatskasse in Athen ihre laufenden Ausgaben tätigen und Rückzahlungsverpflichtungen erfüllen kann.
Auch interessant
Der slowakische Finanzmininster Peter Kazimir, gegenüber den Griechen mindestens so ungnädig wie sein deutscher Kollege Schäuble, sagte vor der zweiten Etappe der Beratungen in der Eurogruppe, er halte einen Deal noch am Sonntag sei ausgeschlossen. Eine abschließende Vereinbarung stand allerdings streng genommen auch nicht zur Debatte, wie Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan klarstellte: „Es geht nicht darum, einen Deal abzuschließen, sondern Verhandlungen einzuleiten.“
Stubb dementierte Berichte, sein Land sei entschlossen, einen Deal zu verhindern und einen Grexit zu erzwingen. „Niemand blockiert einen Deal … aber was die Griechen an Verpflichtungen vorgelegt haben, ist zu diesem Zeitpunkt schlicht nicht hinreichend.“.
Griechen jubeln über Referendum